Von einem der nicht Nein-Sagen konnte…
THEATER IM KUNSTQUARTIER / MANN IST MANN
05/10/18 … oder wie aus einer Mücke ein Elefant wird. Das Setting ist eine virtuelle Computerwelt. Spieler ist der irische Hafen-Packer Galy Gay, der sich auf den Weg macht, für seine Frau und sich einen Fisch zu kaufen… „Let’s play“ ist das Motto am Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum - Bert Brecht Mann ist Mann: Episches Theater auf den Punkt gebracht!
Von Laura Trauner
Im schwarzen Bühnenraum zwei schwarzumspannte Rahmen. Rechts in neongrün eingeblendet „1925“ als Zeitraum der Handlung und eine Indienkarte mit Lage der britischen Armee und des Handlungsorts Kalkoa. Rechts lässt Regisseurin Diana Merkel unter dem Schriftzug „your team consists of…“ mit synthetischen Stimmen, mechanischen Bewegungen und strengen Mienen die Soldaten der britischen Armee marschieren.
Bertolt Brecht schrieb zwei Fassungen seines Stückes Mann ist Mann 1924 und 1938. Während er in der früheren Version dem Erstarken des Individuums in der Masse noch etwas Positives abgewinnen konnte, stehe die zweite Fassung - die am Donnerstag (4.10.) im Theater im KunstQuartier in der Inszenierung von Diana Merkel Premiere hatte - „dem Vorgang der Gleichschaltung des Einzelnen deutlich kritischer gegenüber. Die Produktion spinnt diesen Gedanken weiter ins heute: „Während Brecht für die Verwandlung des Protagonisten die damals neu entwickelten Methoden der Fließbandproduktion aufgriff, überträgt unsere Inszenierung die Entmenschlichung des Individuums ins Heute, wo virtuelle Welten unser Menschenbild maßgeblich verändern“, so das Leitungsteam.
Worum geht es? Im indischen Kilkoa gerät der einfache Hafenpacker Galy Gay an eine Gruppe britischer Soldaten, die bei einer Tempelplünderung ihren vierten Kameraden verloren haben. Um beim Appell vollzählig zu erscheinen, rekrutieren sie den zuvorkommenden Arbeiter Galy als neuen Soldaten für den bevorstehenden Krieg und verwandeln ihn in eine brutale Kriegsmaschine
Auf der Bühne von Theresa Staindl im Theater im KunstQuartier Rahmen fungieren die beschriebenen „Rahmen“ als Bildschirm, das Setting ist eine virtuelle Computerwelt. Spieler ist der irische Hafen-Packer Galy Gay, der sich auf den Weg macht, für seine Frau und sich einen Fisch zu kaufen. Seine Frau warnt ihn noch vor den Fischweibern und vergleicht ihn auf Grund seines „weichen“ Gemüts mit einem Elefanten, „dem schwerfälligsten Tier im Tierkreis“.
Und tatsächlich findet sich Galy Gay innerhalb kürzester Zeit in einem ungeplanten Vorhaben wieder. Der Fisch, den er für seine Frau zu braten plante, ist längst vergessen und er ist im Begriff die Witwe B eine Gurke abzukaufen. Von den Soldaten lässt Galy Gay sich kurzerhand mit allerlei Luxusgütern und Privilegien bestechen… Der Protagonist hat nicht nur ein weiches Gemüt, er ist vor allen Dingen eins: Bestechlich. So findet er sich schnell in einem wachsenden Lügennetzwerk wieder und spätestens als er voller Überzeugung eine Attrappe als Elefanten verkauft, werden aus Mücken sprichwörtlich Elefanten.
So wird aus einem Fisch eine Gurke, aus seiner Frau eine Unbekannte, aus einer Männergruppe ein Elefant und aus dem zaghaften Packer Galy Gay vom Hafen der kriegsbegeisterter Soldat Jeria Jip, der zwar Galy Gay gekannt hat, schlussendlich jedoch selbst eine Grabesrede auf diesen hält. Als Darstellerinnen und Darsteller aller Rollen überzeugen Anton Andreew, Maximilian Menzel, Sophia Schiller, Anna Seeberger und Jonathan Stolze.
Was dem Zuschauer als Ja-Sager-Misere erscheinen mag, soll in erster Linie den kritischen Blick auf die Veränderlichkeit der menschlichen Identität schärfen. Besonders in Tagen der „Augmented Reality“. Episches Theater auf den Punkt gebracht!