Absturz vom „Berg aus Bedeutung“
SCHAUSPIELHAUS / NICHTS - WAS IM LEBEN WICHTIG IST
19/05/17 Erwachsene und Jugendliche halten in der greifbar gespannten Atmosphäre im Schauspielhaus den Atem an: „Nichts - das im Leben wichtig ist“ von Janne Teller führt in der Regie von Petra Schönwald vom Schulhofdrama über die Groteske hinab in blutige Abgründe.
Von Heidemarie Klabacher
Nichts, aber auch gar nichts, ist im Leben von Bedeutung. Pierre Anthon setzt seine frühreife nihilistische Erkenntnis konsequent um. Statt in die Schul-Bank, setzt er sich in den Pflaumenbaum auf dem Schul-Hof und zermürbt von oben herab mit seiner scheinbar glasklar argumentierenden Predigt vom Nichts die ehemaligen Klassengenossen.
Diese, zuerst nur genervt, fühlen sich dann doch angestachelt, Pierre Anthons „Nichts“ ein „Etwas“ entgegenzusetzen. Reihum fordern die Jugendlichen voneinander, sich von dem zu trennen, was für sie von besonderer „Bedeutung“ ist: Kleine Dinge, tatsächlich nur von Wert und Bedeutung für den Einzelnen, werden zusammengetragen, um Pierre Anthon - aber auch jeweils sich selbst und einander – zu beweisen, dass es durchaus etwas von Bedeutung gibt.
Zuerst gibt man die kleinen Kostbarkeiten selber preis. Dann werden sie mit Gewalt genommen. Aus der ursprünglich „philosophisch“ gemeinten Aktion wird ein immer perfideres Spiel. Bewusst zielen die jungen Leute gnadenlos auf die jeweils schwächste Stelle, also jene, wo das Herz schlägt – sei es „nur“ für ein gelbes Fahrrad oder die Unberührtheit. Immer perversere Opferhandlungen werden gefordert. Eine Spirale der Gewalt erhebt sich wie ein Tornado und beginnt sich immer schneller zu drehen. Die Symbole wachsen im alten Sägewerk an zum „Berg aus Bedeutung“, von dem herab die jungen Leute tatsächlich ins Nichts stürzen.
Jonas Breitstadt, Tilla Rath, Cora Mainz, Jakob Kücher und Lukas Bischof spielen in der Regie von Petra Schönwald in der Ausstattung Ragna Heiny zur subtilen Musik Christopher Biribauer. Erzählt wird die Rahmenhandlung von vier Erwachsenen, die sich fünfzehn Jahren nach den Ereignissen zur großen Peinlichkeit aller über den Weg laufen. Wie mit der Erinnerung aus den „Erwachsenen“ von Heute die „Jugendlichen“ von Damals werden, ist gekonnt gemacht von Darstellerinnen, Darstellern und Regie. Wie aus dem jugendlichen Kampf um den „Wert“ des eigenen Lebens und der eigenen Zukunft ein blutiges Verletzen-Wollen wird, erschüttert geradezu in der unaufhaltsamen Stringenz der Ereignisse. Ensemble und Leitungsteam setzen diese mit genau dem richtigen Tempo in einprägsame beängstigende Bilder.