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Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit

LANDESTHEATER / TAHRIR

18/05/15 „Wie kann die Wahrheit so im Verborgenen sein? Sie ist in ihrer Verborgenheit sichtbar, klar und existierend.“ Den letzten ein wenig steifen Worten des Chores - ein Bravo für Chor und Extrachor des Landestheaters – folgt ein umso lebendigeres, vom Komponisten virtuos gesetztes und vom Ensemble musikalisch ebenso virtuos umgesetztes Crescendo: Komponiertes Licht.

Von Heidemarie Klabacher

Er kommentiert die politischen Entwicklungen in Ägypten mit seiner Musik: Der in Kairo geborgene Komponist Hossam Mahmoud hat in seiner Heimatstadt orientalische und europäische Musik und Musikpädagogik studiert, danach Komposition in Graz und Salzburg. Seit 1990 lebt Hossam Mahmoud in Österreich, hat alle Musikpreise von Stadt und Land Salzburg und 2014 den ersten Kompositionsauftrag von den Salzburger Festspielen erhalten.

Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit: Das Bekenntnishafte steht, wie schon in der 2013 uraufgeführten Revolutionsoper „18 Tage…“, im Mittelpunkt auch seines jüngsten Werks: „Tahrir. Eine Oper in sieben Bildern zum Nachdenken“ wurde vom Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla, Musikdirektorin des Landestheaters ab der Spielzeit 2015/16, uraufgeführt. Für die präzise schnörkellose Regie und Personenführung zeichnet die türkische Regisseurin Yekta Kara, Chefregisseurin der Staatsoper Istanbul. 

Dass Hossam Mahmoud mehr sein will, als „nur“ ein Kommentator tagespolitischer Ereignisse, quasi das im Exil komponierende Gewissen Ägyptens, wird in „Tahrir“ durch einen stark spürbaren Willen zur Abstraktion deutlich. Mahmoud schreibt seine Libretti selbst, greift dabei immer auch auf alte arabische Lyrik zurück, etwa des Sufi-Meisters Mansur Al-Hallag, der anno 922 als Märtyrer gestorben ist.

Ein Märtyrer ist auch der „Sohn“, der gleich zu Beginn der Oper stirbt und als Stimme aus dem Off die „Mutter“ bestärkt, den Kampf weiterzuführen. Die junge Ehefrau „Sahr“ und „Ihr Mann“, ein machthungriger Politiker, sind die weiteren Protagonisten. Die „Moderatorin“, eine Sprechrolle, verbreitet Propaganda.

Hossam Mahmoud gebietet über eine eigenständige Tonsprache, die gleichberechtigt auf Vokabeln westlicher und arabischer Musik basiert. Seine Chorsätze – und der Chor spielt in Tahrir eine zentrale Rolle – erinnern in ihrer klanglichen Opulenz für Augenblicke immer wieder an romantische Chormusik, ohne dass sich dies im Harmonischen festmachen ließe. Das mag dem klugen Einsatz etwa von Vierteltonschritten und Teilen arabischer Tonskalen geschuldet sein. Der Sound mutet - ebenfalls nur für Augenblicke - „arabisch“ an, ohne plakativ exotisch zu werden.

Hervorragend, wie Chor und Extrachor des Landestheaters und Mozarteumorchester in kleiner Ensemblebesetzung, sind in „Tahrir“ die Gesangsolisten: Frances Pappas gibt die Mutter technisch souverän, textdeutlich und darstellerisch zurückhaltend. Ilker Arcayürek, der Sohn, singt seine Ermunterungen an die Hinterbliebenen mit Strahl-Kraft. Giulio Alvise Caselli singt, in den Vokalen zu dunkel, den Politiker. Laura Nicorescu verleiht seiner Ehefrau klar strahlende Stimme. Diese Partie ist am deutlichsten mehr als nur Träger einer abstrakten Botschaft. Beatrix Doderer ist eine hervorragend „typische“ TV-Moderatorin, die mit Lust und Chuzpe beliebige Wahrheiten verbreitet.

Beeindruckend sind die Video-Einspielungen, die auf subtile Weise die Ereignisse spiegeln: So wird etwa aus einem Meer von Blutspritzern durch langsam sich verändernde Farbgebung ein Blick durch ein grüngoldenes Blätterdach in einem Laubwald. Vom Blut zum Licht, quasi. Auch für die Videoregie zeichnet Regisseurin Yekta Kara. Eine spannende Produktion, der man mehr als die geplanten vier Folgeaufführungen wünscht.

Tahrir – Aufführungen im Landestheater am 22., und 27. Mai sowie am 4. Juni jeweils um 19.30 - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/Anna-Maria Löffelberger

 

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