Viele Beine staksen über die Bühne
LANDESTHEATER / DIE ZAUBERFLÖTE
22/09/14 So könnte man „Die Zauberflöte“ durchaus angehen: Emanuel Schikaneder, der sich die Rolle des Papageno ja selbst auf den Leib geschrieben hat, kommt, stellt einen riesigen Koffer auf die Bühne. Aus dem kommt die ganze Personnage des bevorstehenden Spektakels. Auch Puppen mit ihren Fädenziehern.
Von Reinhard Kriechbaum
Ja, so könnte man es angehen. Aber dann müsste man genau diesem Zugang bleiben, dann sollte aus der „Zauberflöte“ ein pfiffiges Stück Straßentheater werden, locker und unprätentiös. Das hieße auch: Auf allzu viel Brimborium verzichten, nach Lösungen suchen, die ohne großartige Sonnenkreis-Dekorationen und Steg-Gerüste auskommen. Da sind vier Löwen als Sarastro-Begleiter entschieden zu viel. Das stimmt in sich eben so wenig wie Drehbühne und Pawlatschen-Flair. Es geht einfach nicht zusammen.
Ob die Marionetten-Verdoppelung etwas bringt, bleibe dahin gestellt. Regisseur Carl Philip von Maldeghem hat sich’s in etwa so ausgedacht: Zuerst sind die unmündigen Menschen Marionetten der vermeintlichen Obrigkeiten, die beide - Sarastro wie sternflammende Königin – doch nur für Spielarten faulen Zaubers stehen. Zuletzt sind die Menschen gereift und die Protagonisten des Nacht- und Sonnenreiches hängen ihrerseits an Fäden.
Ein gut gemeinter Ansatz, der sich auf der Theaterbühne halt, wie sich zeigt, nicht recht durchziehen lässt. Der älplerische Papageno in Lederhose, der Prinz Tamino, der offenbar gerade Ferien hat an der Yale University trägt ein Leiberl mit entsprechendem Schriftzug. Genau so angezogen sind ihre kleinen Alter Egos, die wie kleine Lebensberater neben den Menschen einherzappeln. Weil Puppen ja auch Spieler brauchen, zappeln pro Figur immer vier Beine zu viel auf der Bühne herum. Auf drei Stunden nervt das tierisch.
Leider kann man auch nicht die Augen zumachen und sich der Musik ausliefern, denn da fängt die Misere dieser ersten Musiktheaterproduktion des Jahres erst so richtig an. Mit einem fetten Vibrato-Schwall, den man nicht mal Walküren durchgehen ließe, orgeln sich die Drei Damen (Emalie Savoy, Julia Stein, Tamara Gura) durchs Geschehen. Die Königin der Nacht (Christina Rümann) kann eigentlich keinen Ton gerade singen, hat aber dann erstaunlich präzise Spitzentöne. Der Sarastro (Alexey Birkus) kann ausschließlich eine gute Mittellage ins Treffen führen, bei den tiefen Tönen muss man schon recht genau hinhören, um sie noch wahrzunehmen. Der Sprecher (Ugur Okay) ist eine Nebelkrähe surrealistischen Zuschnitts. Der Geharnischten-Choral (Franz Supper, Ugur Okay) ist an Intonations-Schräglage schwer zu toppen.
Laura Nicorescu ginge als Pamina mit gerundeter Stimme, aber wenig gestalterischem Profil in einer Opernschul-Aufführung durch. Dort wäre fürs Erste auch noch der Platz von Kristofer Lundin, der etwas ängstlich wirkt in der Bildnis-Arie, aber dann eh alle Höhen fein drauf hat und merklich Selbstvertrauen gewinnt.
Simon Schnorr ist ein ordentlicher Papageno, Ayse Senogul eine wirklich nette Papagena und Franz Supper ein Monostatos, der auch ernsthaft singen kann. Es sind die einzigen drei im Sängerteam, die professionell wirken. Das herzhaft Unprofessionelle hat leider System, es zeigt sich in wenig ausgehorchten Ensemblestellen, vor allem aber in einem Sprach-Esperanto, das einem die Haare zu Berge stehen lässt. Es brauchte wohl noch wochenlanges Sprach-Coaching.
Mirga Gražinytė-Tyla, die designierte Opernchefin des Landestheaters, hat, wenn ihr Mozart ein ernsthaftes Anliegen ist, in Zukunft eine gewaltige Sänger-Baustelle zu organisieren. Aber von den ersten Akkorden der Ouvertüre weg lässt aufhorchen, wie das Orchester klingt: Es bestätigt den Eindruck, den man auch in Konzerten der Preisträgerin des Young Director’s Project der Festspiele (2012) in Salzburg schon gewinnen hat können: Die junge Litauerin setzt ihre Vorstellungen so unprätentiös wie bestimmt durch. Das hat (im Instrumentalen) Kontur, den Chor hat sie auch gut koordiniert in der Hand. Irgendwie klappen dann ja auch die Szenen mit den Drei Knaben, obwohl diese mit Dabolo-Spielen und kleinen Zaubertricks vom sauberen Singen doch recht abgelenkt werden. Aber freilich: Die Dirigentin darf man, was Vibrato und Ensemble-Intonation belangt, auch nicht ganz aus ihrer Verantwortung entlassen. Wenn sie erst mal Musikchefin ist am Haus, wird sie Zähne zeigen müssen…
Nun denn, diesmal ist eine „Zauberflöte“ mehr oder weniger passiert. Es fällt mir eigentlich kein Argument ein, warum man jemanden ausgerechnet in diese Aufführung schicken sollte.