Was die Zanni in Schwung bringen
LANDESTHEATER / IL BARBIERE DI SIVIGLIA
25/09/23 Der Barbier trägt einen spanischen Kragen und an seinem Gürtel baumelt eine Arlecchino-Maske. Es sind keine platten Zitate, aber das so manches Kostümdetail macht rasch klar: Wir sind in einer temporeichen Commedia dell'arte. – Die erste Landestheater-Premiere galt Rossinis Il Barbiere di Siviglia und wurde zu einem Riesenerfolg für alle Beteiligten.
Von Reinhard Kriechbaum
In einer echten Commedia dell'arte will die Improvisation zu ihrem Recht kommen, und genau darauf setzt der Schauspieler Gregor Bloéb, der sich seit zwei Jahren auch als Opernregisseur betätigt: Dieser Barbier sieht gar wunderbar improvisiert aus, spielerisch und wie spontan aus der Laune des Moments heraus geboren – und ist doch so perfekt zur Musik getimt, also wohl bis ins Kleinste geprobt.
Die Zanni der Commedia dell'arte haben das Sagen: Vom Barbier haben wir in seiner Auftrittsarie ja vernommen, was alles über's Rasieren und die Haarschneiderei hinaus seine Kundschaft von ihm erwartet. Dieser notorische Workaholic nimmt als Ratgeber des Grafen Almaviva alias Lindoro die Rolle des Arlecchino in der Commedia ein. Im Landestheater findet er in George Humphreys einen stimmlich wie im Spiel hyperaktiven Fädenzieher. Die Position des zurückhaltenderen, aber nicht minder schlau intrigierenden Brighella wäre dann jene des Musiklehrers Basilio. Der einzige, zu dem der alte „Dottore“ Bartolo (in der Commedia also der Pantalone) Vertrauen hat. Basilio – Martin Summer – lässt in der Arie von den Venticelli, von den als ganz leise Lüftchen ganz unauffällig daherkommenden Verleumdungen, die sich zu Naturkatastrophe auswachsen, keinen Zweifel: Da ist ein Einflüsterer am Werk, den man ernst nehmen muss.
Bevor wir jetzt aber weiter die Sängerinnen und Sänger aufzählen, die da zu einem einmalig stimmigen Ensemble zusammengewachsen sind, muss die Rede sein von Carlo Benedetto Cimento. Er ist der neue Erste Kapellmeister im Landestheater und hat an dem Premierenabend (24.9.) seine Visitenkarte als vorzüglicher Stilist und Dramaturg für die Italianità. Was er da alles an Feinmechanik hörbar gemacht hat mit dem ihm mit offenkundig allerbester Laune und gediegener Präzision folgendem Mozarteumorchester, das war ein Genuss vom ersten bis zum letzten Takt. Keine überzogenen, aber doch pfiffige Tempi, gerade so viel Nachgiebigkeit, dass sich die Sänger dann doch große gestalterische Freiheiten nehmen können. Und auch die Verzierungen und kleinen Varianten, die Rossini nicht in die Noten geschrieben, die aber damals selbstverständlich waren, kommen zu ihrem Recht.
Auch in der dynamischen Feinzeichnung ist viel gestalterische Freiheit möglich. Das Singen muss, so der Eindruck, ein rechtes Vergnügen sein, wenn dieser eingefuchste Buffo-Dirigent den Weg vorgibt. Davon profitieren alle bis in die kleinsten Rollen, auch der von Carl Philipp Fromherz einstudierte Chor.
Das Ergebnis ist ein aufgeweckter Ensemblegeist, eine bestens synchronisierte Gruppe ganz ohne Schwachstellen. Katie Coventry als Rosina lässt vom ersten Ton weg keinen Zweifel aufkommen, dass das nichts wird mit der Zwangsehe mit dem alten Bartolo. Sie hat die Hosen an, auch wenn sie ihre Beine im langen Transparent-Rock kess zur Schau stellt. Den Vormund Bartolo (Daniele Macciantelli), so mächtig er sich auch aufplustert, spielt sie locker an die Wand. Ihr Herzbube, der vermeintliche Lindoro, ist ihr an Koloraturgewandtheit ebenbürtig. Theodore Browne führt eine klar fokussierte Tenorstimme zu ultra-leichten und treffsicheren Höhen. Wenn man Rosina und den Conte d'Almaviva da so tändeln und turteln sieht, möchteman nicht glauben, wie schlecht es um diese Ehe bestellt sein wird. Wir wissen's ja aus Mozarts Figaro...
Die Ensembleszenen funktionieren wie am Schnürchen. Was Gregor Bloéb nicht alles eingefallen ist für diese engagierte Gruppe von spiel-launigen Sängern, von denen jeder immer ein paar Schritte, ein paar Gesten mehr macht als man erwartet, und die sich dann doch so perfekt „ausgehen“ mit der Musik. Hazel McBain hat als Dienstmädchen Berta einen kleinen, aber nachhaltigen Auftritt. „Als verzweifelte Alte soll ich krepieren“, singt die gefühlt Allerjüngste in der Runde. Ironie ist auch ein Wesensmerkmal dieser Inszenierung.
Für Bühne und Kostüme waren Laura Malmberg und Paul Sturminger zuständig. Dieses verblüffend simple Bühnenbild betont noch einmal den Commedia dell'arte-Charakter. Ein solches vermeintliches Tohuwabohu aus Transparenten aus durchscheinenden Wänden, angedeuteten Kleinen Kubus-Räumen zu ebener Erde und im ersten Stock, verbunden mit Schiebetreppen und Leitern, könnte man auf jedem italienischen Campiello finden. Beste Möglichkeiten für ganz kurze Wege mit effektvollem Hakenschglagen, wie es eben optimal passt für diese bewegungsreiche Inszenierung.
Der Jubel am Schluss war einhellig.
Aufführungen bis 21.November – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall