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Dido muss nicht sterben

UNI MOZARTEUM / ELISSA – DIDO UND AENEAS

26/06/23 Dido, nach einer kurzen, leidenschaftlichen Beziehung verlassen vom in höherem Auftrag treulosen Helden Aeneas, eignet sich sehr gut für weibliche Liebestode auf der Opernbühne zwischen Barock und Romantik, von Purcell bis Berlioz – Die Universität Mozarteum zeigt die Oper von Purcell und dazu etwas ganz Neues: Elissa.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die karthagische Königin Dido und die phönizische Prinzessin Elissa sind ein und die selbe, historisch nicht belegbare mythische Figur. Wenn man der Überlieferung Glauben schenkt, hat die aus ihrer Heimat Vertriebene die antike Großmacht Karthago gegründet. Vermutlich etwa 800 Jahre danach hat ihr der römische Staatsdichter Vergil eine letale Affäre mit Aeneas angedichtet, obwohl der Gründervater des Imperiums wahrscheinlich schon zweihundert Jahre vor Elissa aus Troja entflohen ist.

So weit, so spekulativ. Elisabeth Gutjahr, Rektorin der Universität Mozarteum und gefragte Librettistin, setzt auf die „starke Frau“ Elissa, die all den Gram wegsteckt und eine Handelsmacht in Nordafrika ins Leben ruft.

Also hat sie ein Prelude und ein Postlude zu Henry Purcells Dido and Aeneas verfasst, wozu der vielseitige Henry Fourès Musik geschrieben hat. Der aus dem Deutschen ins Englische gleitende Text verbindet effektvoll zeitgemäße Anspielungen auf die Flüchtlinge im Mittelmeer, selbstbewusste Weiblichkeit und so etwas wie zeitlose Libretto-Poesie, dazu kommen geheimnisvolle Worte aus afrikanischen Sprachen.

Henry Fourès pflegt atmosphärisch und mit dem mit indigenem Schlagzeug eingefärbten Barock-Orchester jene Art der gemäßigten Avantgarde, mittels der junge Sängerinnen und Sänger gut neue Musik lernen können und die das Publikum nicht verstört. Am Ende des Vorspiels erfreut und ergreift eine längere lyrische Phase mit sensiblen Violinkantilenen, die im von elektronischen Klangschwaden überlagerten Stimmen der Instrumente direkt zur alten Oper führt. Chapeau! Das Nachspiel bietet zwar eindrucksvolle Bilder auf der Bühne, aber kaum mehr zwingende Musik. Purcells geniales Lamento der Dido ergreift zutiefst, der schlichte Chor danach braucht eigentlich keinerlei Fortsetzung. Dido muss in einer modernen Inszenierung ohnehin nicht mehr sterben, sogar Isolde wurde ja schon das Weiterleben gestattet. Da würde ein stummes Postludium genügen.

Die Bühne im Max Schlereth-Saal ist diesmal weit ins Publikum gezogen und teilweise relativ tief unten, was in den vorderen Reihen zu Sichtbehinderungen führt. Von weiter hinten ist es sehr eindrucksvoll, was da geschieht. Die Regisseurin Rosamund Gilmore, deren Wagner-Erfahrungen man merkt, ist auch Bildende Künstlerin und es fasziniert, wie sie mit Projektionen aus „Salz, Wasser, Sand, Öl, Plastik, Gestein, Glas und Licht“ und wogenden Tüchern verzaubernde, mitunter auch bedrückende, immer differenziert leuchtende, mystische Bildwelten erzeugen kann. Die Liebenden, die Kämpfer und die Zauberinnen der Handlung bevölkern diese archaische Welt mit oft großen, doch stets menschlich glaubhaften Gesten und Gängen, Tänzen und stehenden Bildern. Carla Schwering hat dazu perfekt passende, den Mythos beschwörende, heutige Gewalten nicht aussparende Kostüme gestaltet.

Hinter der Bühne spielt ein handverlesenes Orchester von „musizierend Studierenden“ die neue und die alte Partitur mit Können und Gusto, souverän geleitet von Kai Röhrig, der dank moderner Technik auch das Kunststück schafft, das Treiben hinter seinem Rücken unfallfrei zu organisieren. Die Tänze der Purcell-Oper haben folkloristischen Schwung und mitunter prägnante Schärfe, die poesievollen Stellen werden in beiden Stücken aufs Schönste zum Klingen gebracht.

Die hochbegabte irisch-rumänische Sopranistin Anna-Maria Husca ist als Elissa/Dido nicht nur ein kostbares Konterfei einer mädchenhaften Königin, sie singt auch mit verinnerlichter Ausdruckskraft und samtener Wärme. Niklas Mayer stattet den vom Krieg traumatisierten Aeneas mit darstellerischer Persönlichkeit und fein akzentuierendem, hellem Tenor aus. Anastasia Fedorenko ist mit sensiblem Sopran Belinda, die einfühlsame Gefährtin der Dido. Julia Maria Eckes als fast musical-artige, auftrumpfend schräge Zauberin, Donata Meyer-Kranixfeld (Second Woman). Laura Obermair und Julia Schneider (First and Second Witch), Lucas Pellbäck (Seemann) und Emil Ugrinov (ein baritonaler Geist als Götterbote mit urigem Nachtwächterhorn) ergeben, auch als Teil der von Giorgio Musolesi bestens angeleiteten Vokalgruppe, ein hervorragendes Ensemble, frisch in Stimmen und Spiel.

Der Beifall war groß, die Produktion verdient das Prädikat sehenswert.

Die Aufführung heute Montag (6.6.) um 19 Uhr heute auch als Livestream. Letzte Aufführung mit teilweise geänderter Besetzung am Dienstag (27.6.) um 19 Uhr – Die Oper wird auch am 29. und 30. August im Rahmen der Barocken Sommerakademie in Siena aufgeführt – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Fabian Helmich

 

 

 

 

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