Der Mysterien-Konkurrent des Jedermann
SALZBURGER ADVENTSINGEN
13/10/22 Wenn Hans Köhl den Jedermann mit dem Salzburger Adventsingen vergleicht, dann fragt sich natürlich, wer denn das Adäquat für die Buhlschaft sein könnte. Das Kleid der Maria gibt nicht ganz so viel her wie jenes von Jedermanns Gespielin. Aber Hellmut Hölzl, seit Jahrzehnten Kostümbildner beim Adventsingen, wird zu gegebener Zeit gewiss etwas drüber erzählen.
Von Reinhard Kriechbaum
Vergleiche mit dem Jedermann im Sommer kann und will sich der Leiter des Salzburger Adventsingens, Hans Köhl, jedenfalls nicht verkneifen. Schon deshalb nicht, weil manche Zahlen eindeutig zu seinem Gunsten ausgehen. In den hundert Jahren des Jedermann gab es bereits über 730 Aufführungen. Beim Adventsingen wird die Premiere heuer am 25. November die eintausendste Aufführung sein, freut sich Hans Köhl.
Auch was die Zahl der Auftritte anlangt, kann er auf einen Superlativ verweisen: Peter Simonischek habe es als Jedermann auf einen Aufführungsrekord mit 91 Vorstellungen gebracht. „Der aktuelle Josef beim Salzburger Adventsingen, Bernhard Teufl, hat hingegen bereits über zweihundert Vorstellungen auf der Festspielhausbühne gegeben.“ Die Zahl von zwei Millionen Gästen hat man schon 2019 geknackt.
Wer die Maria singt, war über viele, viele Jahre so klar wie die Besetzung des Josef mit Bernhard Teufl. Zuletzt war es aber zu Zerwürfnissen gekommen, weil sich Simone Vierlinger, gerade schwanger, nicht gegen Corona hatte wollen impfen lassen.
Es hat dann sowieso lockdownbedingt kein Adventsingen gegeben, zwei Jahre lang nicht. Die neue Maria ist die Sopranistin Eva Maria Schinwald, die also heuer ihr Bühnendebüt in dieser Rolle gibt. Auf einer CD-Produktion, erschienen in der aufführungslosen Pandemie-Zeit, war sie schon zu hören.
Die Bibel ist, was die Geburt Jesu anlangt, nicht gerade geschwätzig. Das – so Hans Köhl – „ermöglicht uns viele Gestaltungsmöglichkeiten und immer wieder neue Denkansätze.“ Die jährlich rund 36.000 Adventsingen-Gäste aus allen Bevölkerungsschichten, vorwiegend aus Österreich und Deutschland, aber mittlerweile auch aus über 48 Ländern aller Welt, wissen es zu schätzen. Nach einer aktuellen empirischen Untersuchung der Wirtschaftskammer Salzburg bekundeten 97 Prozent der Befragten, wiederkommen zu wollen. „Das ist eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit.“
Für die Spielszenen gibt’s heuer – für die überarbeitete Produktion aus dem jahr 2015 Schnee in Bethlehem – eine neue Regisseurin. Gerda Gratzer folgt in dieser Funktion Daniela Meschtscherjakov nach. Sie ist in Salzburgs freier Theaterszene bestbekannt, als Gründerin des Theater Panoptikum sowie das Theater der Freien Elemente. Sie wirkte in dreißig Produktionen als Schauspielerin mit und brachte bisher 25 Theaterstücke als Regisseurin auf die Bühne. Als Komponist und Liedsatz-Bearbeiter ist heuer Shane Woodborne dran, er alterniert in dieser Funktion seit Jahrzehnten mit Klemens Vereno. Herbert Böck am Dirigentenpult gehört schon seit 2001 dazu. Weil zwei Adventsingen ausgefallen sein, sollte er also das 20-Jahre-Jubiläum als musikalischer Leiter feiern.
Schnee in Bethlehem sah 2015 insofern anders aus als „gewöhnliche“ Adventsingen, weil die Hirtenkinder Lederhosen und Dirndl gegen orientalische Gewänder tauschten. „Eine bewegte Orient-Krippe“ schrieben wir von DrehPunktKultur damals. Aber musikalisch hat die alpenländische Volksmusik selbstverständlich auch im Morgenland ihren festen Platz. „Ein Jodler mit dem Engel“, titelte DrehPunktKultur.
Über eine Neuerung wurde schon berichtet: Hans Köhl, der das Adventsingen seit 2000 leitet, ist ja als Heimatwerk-Chef schon im Ruhestand, bleibt aber künstlerischer Leiter des Adventsingens. Im Zuge dieser Umorganisation hat man das Adventsingen quasi rechtlich ausgelagert, die Kulturwerk Salzburg GmbH ist nun gemeinnütziger Rechtsträgerin und Veranstalterin, Köhl ist Alleingeschäftsführer.
Das Salzburger Adventsingen mit dem Titel „Schnee in Bethlehem“ findet von 25. November bis 11. Dezember 2022 im Großen Festspielhaus statt – www.salzburgeradventsingen.at
Bilder: Salzburger Adventsingen (2); dpk-krie (1)
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