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Nur Stimme ist übrig und Knochen

SOMMERSZENE / ECHO

17/06/22 Sie hat es nicht gut getroffen, die Nymphe Echo. Zeus hat ihr eingeredet, sie solle doch seine Gattin Hera mit Gequassel ablenken von seinen Seitensprüngen. Man will ja auch als Göttervater nicht auf frischer Untat entdeckt werden. Hera kam ja doch drauf.

Von Reinhard Kriechbaum

So wurde die arme Echo strafhalber ihrer Stimme beraubt. Fortan durfte sie gerade die letzten Wörter eines Satzes wiederholen. Das erwies sich als arg hinderlich, vor allem bei der Suche nach einem Mann. Und als es plötzlich doch zu klappen schien, war's ausgerechnet Narziss, der ausschließlich die Liebe zu sich selbst im Kopf hatte. Die Bedauernswerte verzehrte sich in Gram. „Nur Stimme ist übrig und Knochen“ heißt es bei Ovid. In dessen Metamorphosen werden andere Pechvögel in Sterne verwandelt, oder wenigstens Bäume – Echos Knochen werden zu leblosem Gestein.

Das HÖRFRAU Kollektiv (Sophia und Johanna Hörmann) war am Mittwoch und Donnerstag (16./17.6.) mit seiner Echo-Version zur Sommerszene eingeladen, ins ARGE-Studio. Ein Stück für eine Tänzerin/Performerin, denn die Künstlerinnen meinen, dass die Befindlichkeit der Nymphe bei Ovid zu kurz kommt im Vergleich zu Narziss. Stimmt wohl. Das Medium Tanz mag auch gar nicht so daneben sein für eine Figur, die man um die Sprache gebracht hat – was übrigens kein böser Mann zu verantworten hatte, sondern die Chefgöttergemahlin Hera. Die wusste den Hebel punktgenau anzusetzen.

Was sich das HÖRFRAU Kollektiv zur Figur denkt und wir tunlichst mitdenken sollen, ist in 29 Thesen festgehalten, von denen die Performerin eingangs und am Ende einige verliest. Die anderen kann man im Online-Programmheft nachlesen. Positiv für Echo ist, dass sie zu einer guten, aufmerksamen Zuhörerin wird. Die Fähigkeit zur Empathie wächst, aber es überwiegen natürlich bei weitem die negativen Folgen. Vereinsamung durch Sprachverlust. In der ersten Szene schmückt sie sich mit Aufklebe-Tatoos. Nützt ihr natürlich nichts, Bilder auf der Haut können Dialogfähigkeit nicht ersetzen. Auch ein Seitengedanke: Berge, Höhlen, verborgene Orte – das seien Frauen-Spären, schreiben die Künstlerinnen.

Halten wir uns an das, was wir sehen: Lena Schattenberg ist die Performerin, die überaus konsequent und eindringlich ein körpersprachlich strenges und reduziertes Bewegungskonzept umsetzt. Diese Nymphe Echo sucht ihren Körper, erkundet Möglichkeiten. Sie sucht, in ihren Körper hineinzuwachsen. Die Impulse aus der minimalistischen Musik (Sounddesign: Sana Lu Una) setzt Lena Schattenberg in oft kleingliedrige Gesten um. Das ist spannend, auch wenn Narziss der Geschichte schon fehlt (dass der irgendwie eingearbeitet ist in die Figur der Echo, wie es in einer der Thesen heißt, erschließt sich nicht). Die knappe Dreiviertelstunde ist von einem starken dramaturgischen Sog getragen. Konzentriertheit ist greifbar. Die Performance wirkt körpersprachlich intensiv. Wir besuchten die zweite Aufführung. Achtzehn Gäste im Studio, das war wohl auch dem Feiertag geschuldet.

Die Sommerszene dauert bis 24. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene / Wolfgang Lienbacher

 

 

 

 

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