... und die Tante ihre Zähne wetzt
LANDESTHEATER / DER KLEINE VAMPIR
08/11/19 Er fürchtet sich im Dunkeln. Besitzt die Grandezza seiner Vorfahren und eine Tante, die seinen besten Freund zum Anbeißen findet. Mit 175 Jahren ist Rüdiger von Schlotterstein noch immer ein Jungspund und hat Probleme wie jeder andere Jugendliche auch: Vampirjäger, Friedhofsplaner, Tageslicht oder Gruftverbot – wegen falscher Freunde.
Von Heidemarie Klabacher
Mit vierzig Jahren auf dem Rücken ist ein Kinderbuch ein Klassiker: 1979 erschien Angela Sommer-Bodenburgs Mensch-Vampir-Freundschaftsgeschichte Der kleine Vampir. Vierzig Jahre später gibt es 21 Buchfolgen, Hörspiele, Kino- und Fernsehverfilmungen und – auch schon wieder seit 1998 – das gleichnamige Musical. Dieses feierte heute Freitag (8.11.) zur vormittäglichen Stunde seine vom jugendlichen Publikum bejubelte Premiere im Landestheater.
Kinderbücher haben ja gerne die Tendenz, ihren Leserinnen und Lesern etwas vermitteln zu wollen. Selbstbewusstsein und Mut etwa oder Offenheit und Toleranz. Das ist schon sehr gut so. Zumindest dann, wenn der pädagogische Eros so konsequent in die Schranken gewiesen wird, wie erstens im Buchklassiker (immerhin ernähren sich Vampire von lebenden Menschen und haben auch sonst keinen guten Ruf) und zweitens auf so temperamentvolle wie „anrüchige“ Art und Weise sich verwirklichen darf, wie nun aktuell im Landestheater in der Regie von Christina Piegger in der Ausstattung von Peter Engel.
Christina Piegger hat mit der Kinderoper Flüchtling in der Spielzeit 2017/18 im Landestheater ihr Regiedebüt für junges Publikum gegeben. Peter Engels phantastische Weltsicht, die sich in scheinbar schlichten und doch so effektvollen Ausstattungsstücken auf der Bühne niederschlägt, ist seit Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Die kleine Hexe oder Meister Eder und sein Pumuckl in farbigster Erinnerung.
Seine Gruft? Man sieht sie geradezu stinken. Echt vergammelt. Ganz wohl fühlt sich Anton Bohnsack daher nicht im Zuhause seines neuen Freundes, der erst jüngst in seinem eigenen Kinderzimmer überraschend von der Vorhangstange baumelte: Die großen Vampire sollen den Duft menschlichen Frischfleisches lieber nicht in die Nase kriegen. Wenn das passiert gibt es Tango! Zum Beispiel mit der vampirischen Tante Dorothee: „Wenn es dann so richtig fetzt, die Tante ihre Zähne wetzt.“ Falls sie nicht vergessen hat, sie einzusetzen.
Gregor Schulz ist der Jung-Vampir Rüdiger von Schlotterstein, der schon in zarten Jahren die Grandezza erkennen lässt, die er als Erwachsener erst so richtig entfalten wird können. Vampir-Schwester Anna wird mit Charme und leichter Verliebtheit Richtung Anton von Patrizia Unger gegeben. Tim Oberließen verkörpert – mit allem gehörigen Respekt den befreundeten Blutsaugern gegenüber – glaub- und liebenswürdig die Gestalt eines in Vampirbücher vernarrten jugendlichen Eigenbrötlers.
Die Musiknummern sind kurz und knackig. Die Choreographie von Josef Vesely zollt jedem Tanz der Vampire der Filmgeschichte Tribut. Die Aufregung der Kinder im Publikum ist enorm und schlägt auf die Erwachsenen über, wenn etwa der Vampirjäger Geiermeier, der mit Knoblauch und Kreuzen behängte Alessandro Visentin, über den Friedhof schleicht und mit Genia Maria Karasek in Gestalt der blutdurstigen Tante Dorothee kollidiert. Auch nicht zum Spaßen ist der Ahne Igno von Ranz. Sonst sind manche Vampire recht nett und haben Sorgen wie Du und Ich. Ein vergnügliches Ereignis.