Luftmenschen
KAMMERSPIELE / BALLETT / DER KLEINE PRINZ
21/01/19 „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Es scheint fast, Antoine de Saint-Exupérys Erzählung Der kleine Prinz hofft darauf, in andere Medien übertragen zu werden. Die Salzburger Kammerspiele sehen den Text als Ballett – tanzen ihn mit Kinderherzen.
Von Franz Jäger-Waldau
Man spricht auch mit den Körpern gut. Das Wesentliche ist für die Stimme unsagbar. Der Choreograph Flavio Salamanka, bekannt als „Othello“ aus der exzellenten gleichnamigen Ballettinszenierung des Landestheaters, übersetzt mit seinem Ensemble Antoine de Saint-Exupérys berühmtes Buch (im 1943 erschienenen Original: Le Petit Prince) in eine auch für Kinder angemessene Tanzerzählung.
Nur die Geschichte bleibt dabei an der Stelle: Ein heimatloser Prinz und ein aus dem Himmel gestürzter Pilot treffen einander an einem Ort, der sie vereint: Dieser Ort ist der Wunsch nach Ortlosigkeit. Der gefallene Pilot sehnt sich nach dem Fliegen, der Prinz nach seinem phantastischen Planeten. Der französische Autor schreibt in offenen Allegorien, freien Handlungsfiguren, die sich selten an punktuelle Bedeutungen fesseln lassen. In den Geschichten des Prinzen treffen die Gestrandeten etwa einen König, einen eitlen Mann, einen Gelehrten oder einen Laternenanzünder, der sich in der Inszenierung zuletzt im Ein- und Ausblasen seiner Laterne verstrickt. Sie treffen eine Rose, die sich an jedem Windzug kränkt oder eine zwiespältige Schlange, erhaben gespielt von Diego da Cunha, sie verspricht dem Prinzen die Heimkehr in den Himmel – durch einen Biss.
Die Ballettinszenierung teilt die Handlung bewusst in kurze Sequenzen auf, die den jungen Zuschauern gut zumutbar sind. Und letztere mögen vielleicht die besten Bürgen dafür sein, dass die Sprache der Körper ebenso laut wie die der Stimmen ist. Denn sonst könnte ihre zarte Aufmerksamkeit kaum eineinhalb Stunden ohne Worte überdauern. Es scheint, den Kindern fällt es sogar leichter, die Bedeutung der Bewegungen zu sehen - mit ihren Herzen, nicht mit den Augen.
Niccolò Massini verkörpert die Rolle des Prinzen dabei beispiellos: Sein kindliches Gesicht, sein unberührtes Wesen wird von seiner würdevollen Eleganz und mächtigen Körperbeherrschung gegengelagert. Im Pas de deux mit dem Piloten (Paulo Muniz) zeigt sich zwischen den Figuren menschliche Nähe in einer Form, die sich von ihrer begrifflichen Fassung („Freundschaft“, „Liebe“) trennt. Auch das Bühnenbild erweitert mit einer wandelbaren Konstruktion die enge Bühne der Kammerspiele. Eine bewegliche, halbdurchsichtige Wand erlaubt filmartige Szenen: Sie ist der Schleier der Vorstellung, das Schließen der Augen vor dem Öffnen der Herzen, hinter dem die Heimat des kleinen Prinzen liegt. Wer also erwägt, die Inszenierung nur als Begleitung seiner Kinder zu besuchen, muss erwarten, für sich selbst mehr als nur deren Dankbarkeit mitzunehmen.