Alleinstellungsmerkmal Schnürlregen
SALZBURG MUSEUM / SALZBURG EINZIGARTIG
17/02/22 Ein Anhänger für eine Halskette in Form einer Phiole, die Salzburger Schnürlregen enthält. Ein Schmuckstück mit ironischem Hintersinn! Es stammt aus den 1970er Jahren. Urd Dagmar Vaelske, die Sammlungsleiterin für Alltagskultur, hat das kleine Ding als EyeCatcher für die neue Dauerausstellung Salzburg einzigartig ausgewählt.
Von Reinhard Kriechbaum
Die für die unterschiedlichen Bereiche zuständigen Museumsleute waren eingeladen, für den ersten Schauraum etwas Außergewöhnliches, typisch Salzburgisches auszuwählen. Da ist ein reizvolles Sammelsurium zustandegekommen: Das Faksimile von Mozarts frühesten beiden Klavierstücken KV 1, daneben Mozart als Playmobil-Figur. Beide haben einen eigenen Glassturz bekommen. Eine Zündholzschachtel mit dem Logo der Festspiele und eine Red-Bull-Dose finden sich in derselben Vitrine. Das ist irgendwie logisch, weil damit zwei hocheffiziente Devisenbringer fürs Bundesland abgedeckt sind. Haben wir die Stiegl-Bierflasche übersehen? Die wurde wohl ausgegliedert, weil Bier ist wirklich kein Alleinstellungsmerkmal. Schon eher des Architekten Gerhard Garstenauers Felsenbad in Badgastein, präsentiert als Architekturmodell.
Eine Besonderheit in Sachen Brauchtum ist natürlich die Trestererkappe mit den weißen Hahnenfedern. Mächtige Federn steckten auch auf dem Helm vom Pass Lueg. Die der einen Kopfbedeckung haben mit denen der anderen kulturgeschichtlich genau gar nichts zu tun, außer vielleicht, dass Menschen sich liebend gerne schmücken. Notfalls sogar mit fremden Federn. Das Understatement der Schnürlregen-Schmuckträgerin war den Kelten und ist den Tresterern jedenfalls fremd.
Wenn es gilt, das Besondere einer Stadt, einer Region, eines Bundeslandes herauszuarbeiten, da kann Schwarmintelligenz sehr nützlich sein. Für die neue Dauerausstellung im Salzburg Museum, Salzburg einzigartig. Geschichte(n) aus Stadt und Land Salzburg, hat man genau darauf gesetzt. Die Museumsleute haben mit Wissenschaftern vom Literaturarchiv bis zur Stiftung Mozarteum eng zusammengearbeitet.
Herausgekommen ist eine höchst solide Zusammenschau auf wirklich Besonderes in unserer Heimat. Und das ist süffig, fantasievoll, sogar mit Selbstironie aufbereitet. Die Museums-Tischler und -graphiker haben ganze Arbeit geleistet. Jeder Raum hat seine individuelle Besonderheit und macht das jeweilige Thema so recht griffig. Das ganze Stockwerk ist so eine stimmige Erweiterung des Aspekts Mythos Salzburg im Stockwerk darüber.
Keine weiteren Mozart-Devotionalien, sondern ein schummriger ovaler Hörraum aus mahagonnygebeiztem Tannenholz: Urgemütlich für eine kurze Rast. Im Raum unmittelbar zuvor ist's nämlich echt ungemütlich. Da ist Thomas Bernhard das Thema. Dieser ätzte: „Salzburg ist eine perfide Fassade, auf welcher die Welt ununterbrochen ihre Verlogenheit malt und hinter der das (oder der) Schöpferische verkümmern und verkommen und absterben muss.“ Für diesen Bernhard-Raum mit manch anderer Stadt- und Bewohnerbeschimpfung hat man den Karikaturisten Nicolas Mahler eingeladen. Er schickt den Dichter auf einen kleinen Stadtspaziergang...
Überhaupt: Zu den Schaustücken kommen immer wieder aktuelle künstlerische Arbeiten, die aber nie den Salzburg-Devotionalien die Show stehlen. Solche freiwillige Selbst-Zurücknahme der Gegenwartskunst ist leider selten geworden. Im Fall von Gerhard Garstenauer ist die genuine künstlerische Leistung per se einen Raum wert: Freilich ist sein Beton-Brutalismus nach wie vor nicht jedermanns Sache, aber wenigstens in der Fachwelt unumstritten. Wie man weiß, geht es zwar seinen kugelförmigen Alu-Liftstationen in Sportgastein gut, aber das Kongresshaus Bad Gastein marodiert vor sich hin. Von der Einrichtung ist überhaupt nichts mehr vorhanden, klagt der Chefkurator der Salzburg Museums, Peter Husty. Gerne hätte er über Pläne und historische Fotos hinaus das eine oder andere Schaustück präsentiert. Es ist bei einem Korbsessel aus der Trinkhalle und einer rundlichen Plastik-Stitzgelegenheit aus dem Felsenbad geblieben.
Eine witzige Idee:Man hat Künstler der Galerie Fotohof eingeladen, rund um ein großes Modell der Welterbe-Altstadt Porträt von Passanten, von Stadt-Flaneuren zu hängen. Viele schräge Vögel, nicht allen wollte man einen Gebrauchtwagen abkaufen. Aber das ist wohl in jeder Stadt so. Angeblich sind ja nicht alle Salzburger allen Menschen gleich sympathisch.
Das Sonnblick-Observatorium ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Wäre uns vielleicht gar nicht eingefallen. Aber hier macht man schon seit 1886 Wetteraufzeichnungen. So was gibt’s lückenlos und so lange in dieser Seehöhe weltweit nicht, sagte bei der Pressebesichtigung der Schau die Leiterin des Observatoriums, Elke Ludewig. Dass es immer wärmer wird, kann sie mit anschaulichen Kurven belegen. Auch, dass der Salzburger Schnürlregen allmählich zur Legende wird. Wenn jetzt jemand auf die Idee käme, ein Salzburger Wetter-Schmuckstück zu designen, dann käme wohl Wasser vom letzten verheerenden Platzregen ins Glasröhrchen.