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Analog ist besser

SOMMERSZENE / THE DJ WHO GAVE TOO MUCH INFORMATION

30/06/16 Es klingt fast zu herrlich oldschool, um wahr zu sein. Drei DJs, ein Publikum. Ein Tisch, ein Plattenspieler, 146 LPs. Das sind vier große Stapel, viele sind gezeichnet vom liebevollen Durchblättern, Auspacken, Einpacken, Auflegen, Abstauben.

Von Nina Ainz

Zu Beginn ihrer Performance stellt das kanadische Künstlerkollektiv PME-ART eine umfassende Statistik vor: 146 Schallplatten liegen auf dem Tisch, davon sind soundsoviele Interpreten noch lebendig, soundsoviele sind gestorben, von einigen konnte man nicht in Erfahrung bringen, ob sie am Leben oder tot sind. Einige Platten mögen alle drei DJs, einige mögen nur zwei von ihnen, einige hat noch keiner von ihnen je gehört, und so weiter. Spätestens hier ist klar, woher sich der Titel der Performance, The DJ Who Gave Too Much Information, ableitet.

Caroline Dubois, Claudia Fancello und Jacob Wren wählen abwechselnd LPs aus, erzählen dazu eine Geschichte – eine Anekdote aus der Biografie des Künstlers, eine Begebenheit aus dem eigenen Leben oder einen Verweis auf das aktuelle Zeitgeschehen – und spielen einen Song. Das Konzept erinnert an den Essayband „31 Songs“, in dem der britische Schriftsteller Nick Hornby Anfang der 2000er-Jahre jene 31 Songs versammelte, die in seinem Leben eine Rolle spielen, und sie mit Geschichten aus seinem Leben verknüpfte. Die Hüllen der gespielten Platten wandern schließlich vom Stapel auf die Regalwand hinter den DJs, wo sie im Laufe des Abends eine Collage aus Schallplattencover der letzten Jahrzehnte bilden.

Dort findet sich dann Charles Mingus, mit dessen „I Can’t Get Started“ Claudia Fancello den Abend einleitet, neben der bei uns unbekannten kanadischen Singer-Songwriterin Mary Margart O’Hara, deren „Bodies in Trouble“ Jacob Wren das Geständnis entlockt, dass er nach 20 Jahren Performance-Erfahrung nur noch nervöser auf die Bühne geht. Man erfährt von einem Freund Caroline Dubois’, der im Kino auf Erykah Badus Schulter getrenzt hat, und der türkischen Folksängerin Selda, deren Lied „Yaz Gazeteci Yaz“ in den Clubs Montreals als Dance-Song gespielt wird. Irgendwann erfuhr Wren über Facebook, dass es sich dabei eigentlich um ein politisch motiviertes Protestlied handelt.

Es werden aber auch Schallplatten ohne abgestoßene Ecken ausgepackt: Mit PJ Harveys „England“ drückt Dubois ihr Bedauern über den Brexit aus. Die Musik der britischen Musikerin FKA Twigs spiegelt Wren zufolge möglicherweise den Sound unserer Zeit wider – und schon ertönt der betörend-hypnotisierende Rhythmus ihres Songs „Water Me“. Und das aktuelle Album der Band Mynth, die ursprünglich aus Salzburg stammt, wird überhaupt erst aus dem Zellophan gepackt. Im Kollektiv macht man dann eine neue Entdeckung und erfährt, was es bedeuten kann, wenn ein „Prozess der gemeinsamen Aneignung von fragmentarischen Erkenntnissen“ (Zitat Programmheft) in Gang gesetzt wird.

Diese Erfahrung kann heute, Donnerstag (30.6.), noch intensiviert werden: Bei der „Bring Your Own Record / Listening Party“ können Musikliebhaber ab 20 Uhr ihre persönlichen Herzensplatten vorstellen, gemeinsam hören und diskutieren.

Die Sommerszene 2016 dauert bis Samstag,2. Juli – www.szene-salzburg.net
Bilder: Sommerszene / Bernhard Müller

 

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