Schwere Watschen ausgeteilt mit leichter Hand
SOMMERSZENE / RABTALDIRNDLN / DU GINGST FORT
27/06/16 Vom Sauabstechen sind sie alle vier ziemlich weit weg. Dem Kernöl sind sie mit Vergnügen nah. Sauabstechen oder Kernöl - der Erinnerung entkommen sie nicht. Nicht einmal der Sehnsucht, wieder einmal ein Dirndl zu tragen. „Du gingst fort“, stellen die „Rabtaldirndln“ verwundert fest und fragen: „Warum?“
Von Heidemarie Klabacher
„Heimweh ist relativ. Das ganze Leben ist Heimweh. Ich weiß halt nicht, wo der Ort ist“, hat Josef gesagt. Josef hat einst die ländliche Heimat ver- und eine unheilbare Wunde in der Seele von Marianne hinterlassen. Josefs alte Gitarre hütet sie wie eine Reliquie. Ein altes Kinderbuch, „Die Hochreiterkinder“, eine alte Jamie Oliver-CD, eine gestrickte Weste: Das sind Erinnerungsstücke an weitere „Weggegangene“, an Menschen, die einst aufgebrochen sind, aus dem Dorf in die Welt: Mit der Produktion „Du gingst fort“ gastierten die Rabtaldirndln zum dritten Mal bei der Sommerszene.
„Heimat“. Das pickt und zwickt irgendwie im Kopf, im Körper, in der Seele – mit Blick zurück ins „Rabtal“ in Australien nicht mehr oder weniger, als in Graz oder Wien. Am schwersten scheint’s, kämpfen mit ihren Erinnerungen ohnehin die Zurückgebliebenen. Wenn die Sehnsucht zu stark wird, werden die Rabtaldirndln rabiat: „Heimat ist Ausdruck eines wurmförmigen Selbstbewusstseins.“
Dann geht es ein wenig rund, man befetzt sich gegenseitig. Und wenn dann doch die Stimmung wieder um- und wie ein Schatten auf die Seele zurückschlägt, heißt es forsch: „Ein Rabtaldirndl hat keine Depression.“ Sicher. Bei den Rabtaldirndln ist man selbständig und autonom und unabhängig. Und es gehört zu den vielen reizvollen Schräglagen von „Du gingst fort“, dass Barbara Carli, Rosi Degen, Gudrun Maier und Gerda Strobl sich über sich selbst als Schauspielerinnen und Performerinnen ebenso lustig machen, wie über ihre Figuren aus dem schönen Rabtal.
Den Weggegangenen – Gertraud, Margarete, Franzi und Josef mit der Gitarre – trauern sie von Herzen nach. So machen sie sich angreifbar. Wenn im ständigen Zicken-Hick-Hack sich jeweils drei gegen eine verbünden – „Wie ist dass, wenn einen die eigene Schwester verlassen hat? Weiter als bis nach Australien kann man wirklich nicht weg gehen“ – werden mit leichter Hand die härtesten Schläge ausgeteilt. „Hiaz reats… muast ja nit rean...“
Besser scheint es den Weggegangenen zu gehen. Auf fiktiven Tonband-Aufzeichnungen live ins Mikrophon gesprochen – und mit diesem simplen Kniff Distanz und eine neue Erzählebene herstellend – berichten die „Emigranten“ doch eher von Erleichterung, freierem Atem und offenerem Horizont in der jeweiligen „Fremde“. Doch die Sehnsucht bleibt. Dass man „in der Stadt“ Schnittlauch oder Palmkatzerl auf dem Markt kaufen muss, verwundert nach Jahren noch…
Schöner, bewegender, kritischer und treffender als durch die rabtaldirndl’sche Nicht-Defintion des Heimatbegriffes kann man die Sehnsucht nach Heimat nicht ausdrücken.
Dass die Rabtaldirndln, ganz nebenbei, mit Witz und Understatement auch noch auszuloten versuchen, was „heutzutage“ auf der Bühne überhaupt noch möglich ist, bringt eine weitere Bedeutungsebene in „Spiel“, auf der man sich lustig macht übers zeitgenössische Theater. Ja man tut sogar, „wovon manche meinen, dass man es nicht mehr macht auf der Bühne“: Zum Beispiel, etwas vorspielen. Chapeau!!! „Geht Schattenspiel noch?“ Geht: Welch’ anschauliche Personenporträts entstehen im Projektionslicht der altmodischen Overhead-Projektoren mit ein paar Papierschnipseln und wenigen Handgriffen.