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Achtung Menschen!

SOMMERSZENE / MARCELO EVELYN

01/07/15 Eng auf den Leib rücken Marcelo Evelin und die Damage Inc. den Sommerszene-Besuchern bei „Suddenly Everywhere is Black with People“. Fünf nackte Tänzerinnen und Tänzer arbeiten sich in dieser wortlosen Performance immer wieder quer durchs Publikum und kommen dabei dem einzelnen Zuschauer bedrohlich nah.

Von Christoph Pichler

Schon vor Betreten des republic kursieren die ersten Warnungen. Ob man eh wisse, auf was man sich da einlasse. Oder, dass man bald merke werde, dass ein weißes Kleid die falsche Bekleidung für das Stück sei.

Im Saal spannt sich ein großes Geviert auf, das mit den nach innen gerichteten Leuchtstoffröhren nur schlecht ausgeleuchtet ist. Das liegt freilich auch an den Zuschauern, die Boxern gleich in diesen Ring steigen und den Raum okkupieren. In diese eingehegte Menschenherde bricht plötzlich eine schwarze Masse und löst, wo sich auch auftaucht, panische Fluchtbewegungen aus. Einem Knäuel gleich wälzen sich fünf in einander verschlungene Tänzer durch die Menge. Dass es zwei Frauen und drei Männer sind, die sich da wie eine wild gewordene Flipperkugel um sich selbst drehen und dabei kreuz und quer durch das Geviert schießen, wird erst nach mutigen Annäherungsversuchen erkennbar.

Als das Publikum langsam realisiert, dass sich die komplett schwarz eingefärbten Performer weniger auf Kollisions- als vielmehr auf permanentem Ausweichkurs befinden, und die ersten Ich-bleib-einfach-mal-stehen-Experimente beginnen, stürzen sie stöhnend zu Boden. Schnell bildet sich eine Menschentraube um die Gefallenen – zwar mit einigem Sicherheitsabstand, aber doch unangenehm neugierig drängend. Aus den Flüchtenden und Stehenbleibern ist plötzlich eine Gruppe von Gaffern geworden, die mit interessiertem, aber mitleidlosem Blick von oben herab auf die sich Windenden starrt.

Wer keine Lust auf kritische Selbst- und Fremdbeobachtung hat oder sich einfach vor Dunkelheit, ungefragten Berührungen oder dem Unbekannten fürchtet, sollte sich einen Besuch von „Suddenly Everywhere is Black with People“ gründlich überlegen. Diejenigen, denen die ständige Konfrontation mit sich selbst und dem Anderen zu viel wird, können sich allerdings problemlos aus der „Begegnungszone“ zurückziehen und alles aus sicherer Distanz beobachten. Wer das tut, dem entgehen jedoch einige der spannendsten Momente. Denn nachdem sich die schwarze Masse x-mal in verschiedenen Ausformungen quer über die Bühne gewälzt hat, bricht sie auseinander und so wandeln plötzlich fünf Gestalten zombiegleich durch die Gegend. Da kann es dann auch passieren, dass man auf der Suche nach den in der Menge untergetauchten Performern, plötzlich heißen Atem und extreme Nähe im Genick spürt.

Wenn der Spuk nach einer guten Stunde vorüber ist und auch die dröhnend vor sich hin donnernde Soundkulisse endgültig verstummt, wird der Zuschauer wieder ganz sich selbst überlassen. Der Applaus findet keinen freudigen Abnehmer, das Unbekannte ist erneut aus dem Sichtfeld verschwunden und lässt sich nicht zur Beruhigung bei voller Saalbeleuchtung studieren. Erleichtert, verwirrt und sichtbar gezeichnet verlässt das Publikum den Saal. Denn zumindest optisch hat das Stück bei vielen deutliche Spuren hinterlassen. Die spezielle schwarze Tinktur, die die nackten Körper der Performer bedeckt hat, färbt nämlich sichtbar ab. Und ohne irgendwie berührt worden zu sein, hat wohl kaum ein Gast die aufrüttelnde Stunde überstanden.

Bild: Sommerszene / Sérgio Caddah

 

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