Vom Suchen und Finden des Höhepunkts
SOMMERSZENE / 69 POSITIONS
26/06/15 Im wahrsten Sinne zum Höhepunkt brachte es Mette Ingvartsen mit „69 Postions“. Denn genau darum geht es. Mit einer Mischung aus Ausstellung, Performance und Tanz zeigt Ingvartsen den Zuschauern die Vielfalt des sexuellen Höhepunkts von den 1960er Jahren, bis in eine ferne Zukunft.
Von Larissa Schütz
Von der Bühne der ARGE Kultur ist so gut wie nichts übrig geblieben und auch sonst hat man zu Anfang nicht das Gefühl, eine Aufführung zu besuchen. Viel mehr befindet sich das Publikum in einem Ausstellungsraum, der mit herunterhängenden Stäben abgegrenzt ist. Daran hängen Bilder, Texte und Monitore. Mette Ingvartsen begrüßt jeden Einzelnen beim Hereinkommen.
Was dann folgt, ist eine Art Führung durch die Ausstellung mit Vorführelementen. Alles beginnt in den 1960er Jahren, den Jahren der sexuellen Befreiung. Mette Ingvartsen liest eine E-Mail von Carloee Schneemann vor, über deren Performance „Meet Joy“ (1964) und warum Ingvartsen nicht versuchen solle, diese Performance noch einmal aufzuführen, was sie letztlich doch irgendwie tut, indem sie dem Publikum die einzelnen Aktionen der Handelnden vorführt. Auch mit Richard Schechners „Dionysus in 69“ verfährt sie ähnlich.
Anfangs noch in Jeans und Pulli, führt Mette Ingvartsen bald nackt durch die Ausstellung. Bis auf ihre Turnschuhe hat sie alle Kleider abgelegt. Ihre Nacktheit hat nichts Befremdliches oder Plakatives, Ingvartsen strahlt durch und durch Professionalität und choreographische Struktur aus. Die Grenze zwischen Zuschauern und Agierenden verschwimmt zunehmend immer mehr. Langsam aber sicher baut Ingvartsen einzelne Leute aus dem Publikum in ihre Performance ein. Läuft sie anfangs lediglich zwischen den Zuschauern hindurch, lässt sie schließlich auch einzelne Personen verschiedene Positionen einnehmen, um die Erzählungen von ihren Performances anschaulicher zu gestalten. Das Publikum reagiert gut, selbst dann noch, als Ingvartsen vier von ihnen aussucht, die einen multiplen Orgasmus auf der Bühne erleben sollen.Via Kopfhörer hören die Ausgewählten Stöhnen, das sie nachmachen sollen, wodurch dem Publikum akustisch der sexuelle Höhepunkt vier verschiedener Menschen vorgeführt wird.
Den zweiten Höhepunkt der Performance zeigt Mette Ingvartsen zum Schluss selbst. Lusterfüllung durch Gegenstände ist das Thema dieses Teils der Performance. Mit ihrer Zunge erforscht und leckt sie an einer Schreibtischlampe und masturbiert danach mit einem Stuhl. Anschließend wünscht sie ihrem Publikum eine vergnügliche Nacht.
Mette Ingvartsen geht es bei „69 Positions“ nicht um die plakative Darstellung von Sex. Viel mehr interessiert sie „die Geschichte der Sexualität nicht als etwas Privates, sondern als Teil dessen, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist und wie Politik funktioniert“. Nach dieser Performance lässt sich zumindest festhalten, dass das Publikum der Sommerszene sehr offen eingestellt ist. Zwei Vorstellungen folgen noch, mal sehen ob diese beim Publikum ebenfalls zum Höhepunkt führen.