Eitelkeit unseres Tuns. Verbissenheit unseres Treibens
SOMMERSZENE / FORCED ENTERTAINMENT
28/06/19 Sechs verbissene Clowns, paritätisch gegendert, was weder für Aussehen noch Aktion von Bedeutung ist. Die grobe Maske wird ohnehin gegen Ende zerronnen sein, die schottisch karierten Anzüge klatschnass geschwitzt. Text braucht es nicht: Die Truppe Forced Entertainment gastierte mit ihrem Stück Out Of Order bei der Sommerszene erstmals in Österreich.
Von Erhard Petzel
Thema sind spielerische Techniken. Jemanden anvisieren oder verfolgen. Behindert, gestört oder aggressiv werden. Gegen jemanden zusammenhalten, zusammen etwas tun. Nachmachen. Regeln erfinden, erfüllen und übergehen. In Kraftakte investieren, erschöpft sein... Tisch und Sessel sind leitmotivische Objekte der Auseinandersetzung. Dazu kommen Luftballons und Hupen.
Als Rudiment ist eine Reise nach Jerusalem gekoppelt mit dem Mörderspiel zu erahnen. Ein nerviges 60iger-Jahre-Riff scheint ein Auslöser für Ausflippen und drastische Verfolgungsjagden zu sein, bis sich nach einer kleinen Ewigkeit Erschöpfung breit macht. Wer am längsten durchgehalten hat, startet den nächsten Testballon. Aufblasen und fahren lassen ist das nächste Spiel, wofür es auch keine eingespielte Musik mehr braucht. Die Atem-Tätigkeit und die Unberechenbarkeit der Luftballone in ihren Bewegungen prägen die Szene, bis jemand drauf kommt, dass man mit den Geräten die anderen auch sekkieren kann, was die nächsten neckischen Turbulenzen auslöst.
Nachdem Tisch und Sessel dauernde Verwerfungen und Verrückungen haben über sich ergehen lassen müssen, werden sie eine Ewigkeit im Kreis und kreuz und quer getragen, dass der Schweiß nur so rinnt. Nach heftigem Accelerieren schleppt sich das Spiel bis zum Morendo. Wer ausfällt, bleibt liegen, bis selbst die Tischträger kapitulieren. Einer aber kommt auf die Idee, die Niedergesunkenen per Hupe zu aktivieren. Das führt zum Déjà-vu mit dem Beginn, diesmal mit Mobbing-Hupe bis zur Totalverklammerung. Endgültig zur Reprise mutiert das Geschehen, als der Donauwalzer dazu eingespielt wird und die Spielbewegung modelliert. Mit dessen Wiederholung kommen absurde Sequenzen zur Durchführung, bis alles wieder mit Laufen und Bewerfen infantile Subversion zeitigt.
Da alle vordem eingesetzten Elemente im Finale mitmischen, wird einem Luftballon dramaturgische Bedeutung zuteil. Weil ihm ein Kollege den seinen zerdrückt hat, verlässt der Erste beleidigt die Bühne. Der Rest nutzt das Signal zu folgen. So kurz diese – längst ausufernde – Inhaltsangabe erscheinen mag, so ausladend sind die einzelnen Segmente gestaltet, weil in sich und zueinander variiert und kombiniert. Wozu aber das alles?
Wenn auch keine Clownerie im herkömmlichen Sinn, hat die Clownsmaske dennoch eine wichtige Funktion. Sie lässt eine allgemeine Deutung des Tuns und Treibens als genuin menschliche Parameter zu. In Clowns darf man das Kind im Großen ebenso sehen wie die Abstraktion des Infantilen im zivilisatorischen Prozess, wenn große Politik zum Sandkastenspiel heruntergebrochen wird. Die sture Verzweiflung, mit der die Protagonisten ihren elementaren Ansporn zum Ausdruck bringen, mag uns an Sprichworte gemahnen, die die Eitelkeit unseres Tuns an der Verbissenheit unseres Treibens konterkarieren.
Das alles in einer poetischen Qualität, wie sie einer Performance-Truppe um Tim Etchells in ihrer Jahrzehnte währenden Tradition selbstverständlich eignet. Etwas, was außerhalb aller Genres dennoch in sich geschlossen und proportioniert als autarkes und sinnlich gut vernehmbares Werk angenommen werden kann. Etliche Lacher im Publikum legen Zeugnis ab für die Wirksamkeit der erzielten Situationskomik. Laute Akklamation am Schluss für die Akzeptanz dieser künstlerischen Ausdrucksform.