… stürzt die Mächtigen vom Thron
HINTERGRUND / SOMMERSZENE / MAGNIFICAT
12/06/18 Sie wollte „den Chor für die Bühne und für die Frauen“ wieder gewinnen: „Ein Theater ohne Chor erscheint mir tot“, sagt polnische Regisseurin Marta Górnicka. Sie dirigiert in „Magnificat“ bei der Sommerszene am Donnerstag (14.6.) einen Chor von 23 Frauen, „die dem traditionellen Frauenbild den Kampf ansagen“.
Von Heidemarie Klabacher
Falls es wer vergessen hat: Das „Magnificat“ ist die Antwort einer Schwangeren, auf den Gruß einer anderen Schwangeren. Maria, eh schon wissen, die Mutter Jesu, besuchte ein paar Tage nach dem überraschenden Besuch des Engels ihre Cousine Elisabeth, eine ältere Dame, die selber durch göttliches Nachhelfen noch ein Kind erwartet. Elisabeth also grüßt die „Gebenedeite“ und diese hebt an zum Magnificat: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter, denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut…“ Eines der schönsten Lieder in der Bibel überhaupt. Aber Material für eine Feministin? Immerhin werden darin die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Niedrigen erhöht.
Im Grunde ist das „Magnificat“ die Quintessenz all dessen, was das Christentum in seiner Katholischen Variante sein könnte, vielleicht einmal gewesen ist, zumindest vom Gründer so irgendwie gemeint war... Die Bedeutung des „Magnificat“, etwa als Bestandteil des Stundengebetes, die unzähligen überwältigenden Magnificat-Kompositionen von Monteverdi herauf in die Gegenwart, zeugen von der Bedeutung dieses revolutionären lyrischen Textes.
„In dem Maße, in dem das Theater sich auf das Individuum konzentriert hat, hat es ein gewisses Maß an Tragik verloren und aufgehört, mit dem Zuschauer zu kommunizieren. Ich wollte eine neue Form des Theaters entwickeln und fühlte, dass man bei denen ansetzen sollte, die am wenigsten Stimme besitzen – dem Chor der Frauen“, sagt Marta Górnicka. „Der Chor sollte auf der Bühne der einzige Protagonist sein. Ein Chor, der nicht länger eine leere Menge, eine Masse ohne individuelle Eigenschaften sein sollte, sondern eine Ansammlung von Individuen, eine Ansammlung von unterschiedlichen Teilchen.“
Sie wolle, so Marta Górnicka, dem traditionellen Frauenbild den Kampf ansagen: „Durch das, was ich mache, beteilige ich mich stark an der aktuellen feministischen Debatte. Ich habe dem Chor eine weibliche Stimme verliehen, die eine politische Botschaft mit sich bringt. Ich setze eine Frauengemeinschaft ein, die allein durch ihre ostentative Bühnenpräsenz eine Herausforderung gegenüber der traditionellen Ordnung darstellt.“ Die Sommerszene bringt die Österreich-Premiere von „Magnificat“ in polnischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln.
„Gegenstand des Stückes ist die Jungfrau Maria als Sinnbild der katholisch geprägten Sicht auf Weiblichkeit.“ Auch Górnicka, immerhin aus dem sehr katholischen Polen stammend, weiß, dass das Magnificat weniger eine Auseinandersetzung mit Religion ist, als vielmehr „eine Inszenierung des Aufbegehrens von gleichermaßen poetischer wie politischer Kraft - ein Manifest für das nach wie vor notwendige Aufbrechen von Stereotypen und Klischees.“
Marta Górnicka – Magnificat – am Donnerstag (14.6.) um 20 Uhr im Republic - www.szene-salzburg.net
Bild: www.martagornicka.com