Europa-Rede im Utopia-Remix
SOMMERSZENE / PONTIFEX
28/06/17 Nach Präsident Obama und Lady Diana widmet das Perfomance-Duo Navaridas & Deutinger den dritten Teil ihrer Iconic-Rhetorics-Reihe Papst Franziskus. In „Pontifex“, das am Dienstag (27.6.) auf der Sommerszene uraufgeführt wurde, versprechen sie dem Besucher neben einer flammenden Europa-Rede ein Konzert, eine Messe, eine Utopie und nackte Haut.
Von Christoph Pichler
Auf letztere muss der Zuschauer in der ARGEkultur allerdings bis zum Finale der Vorstellung warten. Denn den größten Teil der Vorstellungen verbringen Marta Navaridas, Alexander Deutinger und ihre musikalische Begleiterin Adina F. Camhy züchtig verhüllt vor ihren Laptops sitzend, wobei sie wie drei Langzeitstudenten in einer tischlosen WG wirken. Versunken am Boden hockend kritzelt die eine religiös angehauchte Strichzeichnungen in ihren Computer, die andere bastelt eifrig an ihrer aktuellen Soundcollage und der Hahn im Korb rezitiert bedeutungsvoll sein neuestes Fundstück aus dem Internet: die Europa-Rede, die Papst Franziskus gehalten hat, als ihm 2016 der Karlspreis verliehen wurde.
Irgendwann verdichten sich diese Elemente zu einem ersten Höhepunkt: dem „What happend to Europe“-Disco-Rap, dem auch eine erste kleine Tanzeinlage folgt. Den Beifall dafür erzeugen sich die Darsteller mit elektronischer Hilfe gleich selbst, ehe wieder alle in ihre Computer versinken. Und weiter geht‘s mit Papst Franziskus‘ Europa-Analyse, in der er seine Finger in die offenen Wunden der Gemeinschaft legt und seiner eigenen Utopie eines gemeinsamen Europas gegenüberstellt. Musikalisch nehmen langsam die sakralen Motive zu und so landen wir erst auf einem wilden Rockkonzert und, als sich die künstlichen Nebelschwaden wieder lichten, in einer eher schwarzen als römisch-katholischen Messe. Zumindest stolziert hier ein seltsamer barbusiger Riese mit Hightech- statt Pferdefuß über die Bühne, der anschließend auch noch mit seinem Geldkescher zur Kollekte bittet. Dass die zum Abschluss losgelassene (gottlob künstliche) Friedenstaube die letzte Kurve ins Licht bei der Premiere nicht mehr bekam und stattdessen in die Wand krachte, mag Absicht gewesen sein oder lediglich eine kleine finale Panne, war aber jedenfalls bezeichnend für die gesamte Vorstellung.
Denn bei allen interessanten Ansätzen und trotz einiger wirklich gelungener Szenen kombiniert die Performance doch auch alle (nennen wir es anstrengenden) Aspekte einer gediegenen Danksagungsrede und einer x-mal durchzelebrierten Messe: viele schöne, oft leere, oft bedeutungsüberfrachtete Worte und Gesten, mal wie aus einer Sammlung von Kalendersprüchen abgeschrieben, mal babylonisch sprachverwirrt und unverständlich. Dass dieser knapp einstündige Remix einer flammenden Europarede vom Creative Europe Programme der Europäischen Union kofinanziert wurde, mag zwar aus Sicht der Geldbörse der Künstler verständlich sein, hinterlässt aber dennoch einen leicht schalen Beigeschmack.