Schwan und Regentropfen
SOMMERSZENE / PERE FAURA / NO DANCE NO PARADISE
23/06/17 Der sterbende Schwan der Pawlova, der im Regen trällernde Gene Kelly, die virtuose De Keersmaeker, der disco-erhitzte John Travolta: Sie bilden den „historischen“ Hintergrund für die fulminant erzählerische Choreografie „No Dance, No Paradise“ von Pere Fauna.
Von Heidemarie Klabacher
So lebendig, sinnlich und anschaulich kann „Tanz-Analyse“ sein. Denn „No Dance, No Paradise“ von Pere Fauna ist – auf einer der vielen oberen und unteren Meta-Ebenen der Soloproduktion mit raffiniertem Soundtrack und ebenso raffiniertem Videohintergrund – genau das. Eine Untersuchung. Vier berühmte Tanz-Szenen auseinander geklaubt, in ihre choreographischen Elemente zerlegt, in ihrem historischen Kontext hinterfragt, auf ihre ikonografische Bedeutung hin abgeklopft, virtuos „nachgetanzt“ mit schrägen Verfremdungen und Auslassungen (etwa der Melodie des berühmten Regenliedes) – und schließlich in neuem klanglichen Gewand und neuem Bewegungsrepertoire aber noch immer erkennbar neu interpretiert.
Im Tanzszene-Sprech heißt das: „Gene Kelly, Anne Teresa De Keersmaeker, Anna Pavlova und John Travolta, reinkarniert im Körper eines einzigen Tänzers, der ihre legendären Soli – Singing in the Rain, Fase, Schwanensee und Saturday Night Fever – interpretiert. Als Teil seiner eigenen Biographie kontextualisiert Pere Faura die vier ikonischen Werke zum einen als historische und symbolische Geste der Anerkennung und Bewunderung. Zum anderen setzt er sich selbstkritisch und humorvoll mit der Welt des Tanzes und ihren Referenzen auseinander.“
Ja eh. Aber er macht noch viel mehr und etwas viel Selteneres: Er unterhält. Seine Performance ist zum Staunen inhaltsreich und zum noch größeren Staunen ganz einfach unterhaltsam im allerbesten Sinn. Zudem übt Pere Fauna sich nicht in Heldenverehrung. Seine Hommagen sind bei aller Virtuosität im Tanztechnischen von feiner Ironie geprägt. Unerträglich sei etwa die Bewegung, mit der ein „großer“ Schauspieler zeigt, dass er hinter einer Säule hervortritt. Und dass man Glück mit dem Ausdruck eines Pferdes – bei gefletschtem Gebiss – ausdrücken muss, hat auch schon längst hinterfragt gehört.
Wie wunderbar – und wie wunderbar komisch und berührend – sich Elemente dieser legendären Chorographien dazu eignen, sich im Schluss-Durchgang in einer ganz neuen „Studie“ zu Leonhard Cohens „Dance me to the End of Love“ zusammenfügen zu lassen. Seltsamerweise fehlt Cohens Name im Programmfolder, doch die Coverversion für mehrere Stimm- und Stimmungslagen ist ausgezeichnet instrumentiert. Sound-Design und Musikauswahl von Ramón Miércoles und Arturo Castillo verbinden sich mit den klug ausgewählten Texten von Pere Faura und Anne Teresa De Keersmaeker und der Regie des Solisten zu einem echten Gesamtkunstwerk.
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Bilder: Sommerszene