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Grammophon am Heldengrab

SOMMERSZENE / OHNE TITEL / GÄRTEN VON GESTERN

22/06/17 Zwei Kinder in Matrosenkleidchen mit Puppenstuben im Schulranzen. Eine Gesellschaft vor der Kamera beim Nasenbohren. Alte Schlager kratzende Grammophone auf dem Soldatenfriedhof des Ersten Weltkriegs. Dazu tickende Metronome und klagende Saxophone. Die Natur liefert ungefragt Schattenspiele und huschende Eichhörnchen.

Von Heidemarie Klabacher

Ein Schild am Haupteingang erklärt den Friedhofsbesuchern, dass dieser Tage auf dem Areal Theater gespielt wird und dass die Schauspieler garantierten, die Totenruhe zu achten. Nun. Das tun sie wirklich. Es ist ein sehr duftiges elusives Setting, das - entlang der Hauptallee, auf den rechtwinkelig abzweigenden Wegen und zwischen den Grabsteinen - die Stationen auf dem Weg durch die Gärten von Gestern markiert. Es ist ein poetischer Spaziergang, zu dem das Theaterkollektiv „ohne titel“ auf den Kommunalfriedhof einlädt.

Die fried- und stimmungsvolle Atmosphäre eines Friedhofes, der Großteils aus historischen Grab- und Denkmälern besteht, ist wie geschaffen für ein Spiel mit der Erinnerung. Wenn zwei Kinder in Matrosenkleidchen Fingerspiele zwischen Grabsteinen spielen, erinnert das natürlich an alte Schwarz-Weiß-Fotos von brav neben einem Tischchen posierenden Bürgerskindern. Nur dass diese eben nicht „spielen“, sondern steif vor der Kamera stehen. Imaginäres Fotografieren und Fotografiert-Werden ist eines der Hauptmotive. Um persönliches Erinnern soll es nicht gehen, sondern eben um „Techniken des Erinnerns“. Und so alt, dass sie sich an eigenes „Posieren“ im Matrosenkleidchen erinnern, sind ja auch wirklich die wenigsten Szene-Besucher.

Eine Gruppe von deren 25 wird nach kurzer „theoretischer“ Einführung von einem Saxophon-Quartett empfangen und von Mitgliedern von „ohne titel“ mit verhaltenen Gesten durch den Erinnerungs-Parcours geführt. Die Hauptallee wird, so hieß es beim Pressegespräch, als „Broadway“ interpretiert, von dem ausgehend das streng symmetrische Wegenetz den Friedhof und damit die Stationen erschließt. Die Besuchergruppe wird mehrfach geteilt und erlebt die Performance in Kleingruppen.

Insgesamt 75 Mitwirkende, altmodisch gewandet in Schwarz-Weiß, stellen nach dem Konzept von Thomas Beck, Dorit Ehlers und Arthur Zgubic an insgesamt acht Stationen „lebende Bilder“ aber auch „bewegte Szenen“: Da posiert eine Gruppe für ein Foto, doch einzelne vergessen sich und bohren in der Nase. Peinlich, wenn das für die Nachwelt festgehalten wird. Dort warten junge Leute auf irgendwen oder irgendwas. Vielleicht eine Bestattung. Das verlegene Fingerdrehen ist eins der Leitmotive. Irgendwo ist eine alte Landkarte von New York. Gleich daneben ein „Stummer Diener“ auf dem ein weißes Hemd hängt oder ein Spiegeltisch, in dem sich nichts als der Himmel spiegelt. Metronome häufen sich in dieser Station, lassen ihr Ticken aber ebenfalls leitmotivisch immer wieder hören – wie auch die Klänge der Saxophone immer wieder über das Gelände wehen.

Das mit den „Techniken des Erinnern“ erschließt sich höchstens insofern, als jedes „Bild“ unterschiedlichste Assoziationen weckt und Assoziationen eben unerlässlich zum Erinnern sind. Das ist wenig neu und wenig überraschend. Aber die poetisch schwebende Grundstimmung zusammen mit zahlreichen leitmotivisch eingesetzten Gesten oder Haltungen oder Klängen zieht doch einen beinahe geheimnisvollen Schleier über das Ganze. Dass die Truppe „ohne titel“ das riesige Areal überhaupt in den Griff kriegt und – sozusagen – mit einer spürbaren theatralen Atmosphäre zu überspannen weiß, ist schon sehr beachtlich.

www.szene-salzburg.net
Zum Vorab-Interview mit „ohne titel“ Neue Orte, neue Horizonte
Bilder: dpk-klaba (1); Sommerszene (1)

 

 

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