Mr. Jazz in Salzburg
NACHGEFRAGT BEI ANDREAS NEUMAYER
08/06/20 Im Jazz ist die Gastronomie für die Atmosphäre deutlich wichtiger als Lachsbrötchen und Sektflöte in der Klassik. Davon abgesehen gibt es weder den Jazz noch die Klassik. Und auch die Fans unterscheiden sich voneinander weniger, als man meint. Andreas Neumayer ist der Leiter des Jazzit Music Club: „Viele aus unserem Stammpublikum gehen regelmäßig ins Mozarteum und haben bei uns eine Jahreskarte.“
Von Heidemarie Klabacher
Ein „gesetztes“ Jazzkonzert, die Gäste von Saaldienern geleitet und aufgefädelt in braven Reihen? „Es war war Balsam für die Seele, als endlich wieder Livemusik im Haus erklang.“ Andreas Neumayer dankte nach der ersten Jam-Session nach dem Lockdown seinem Publikum per Mail dafür, dass es sich „so artig an die neuen Gegebenheiten gehalten hat“.
Kurz vor dem lockdown, am 15. Februar, ist das Jazzit 18 geworden. Volljährig wurde der Jazzit Musik Club, der bereits vier Mal vom amerikanischen Magazin Downbeat mit dem „Great Jazz Venue“ ausgezeichnet wurde, quasi mit seiner Gründung. Dieser ist ja eine rege Vor- und Früh-Geschichte als Jazz im Theater auf der damaligen Elisabethbühne vorangegangen. Man übersiedelte damals also nur ein paar hundert Meter, vom Kirchenkeller ins kommunistische Volksheim in der Elisabethstraße. Seither prägt Andreas Neumayer das Jazzit mit einem Programm, auf dem junge aufstrebende Formationen – aus Salzburg und anderswo – genauso ihren Platz finden, wie nationale und internationale Größen, die „die familiär-intime Atmosphäre“ im Jazzit schätzen gelernt haben.
Eine unverwechselbare Programm-Schiene ist die wöchentliche Jam-Session am Dienstag bei freiem Eintritt. Mit einer Jam-Session am 2. Juni warf das Jazzit als eine der ersten Kulturinstitutionen in Österreich die Corona-Starre ab. Die Krise habe man ganz gut überstanden, obwohl es schon „heftig“ war. Da wurden, weil niemand wusste, was kommen wird, März-Termine in den Juni verschoben und somit erst recht die Planungsarbeiten „von fast einem halben Jahr zunichte gemacht“, erzählt Andreas Neumayer. Jetzt gehen eben Sessions, die sonst in der Bar gespielt werden, über die Bühne im großen Saal. Dort ist immerhin Platz für siebzig Stühle.
Finanziell werde man, so Neumayer, die Krise „ganz gut durchstehen“. Wenn ein Konzert nicht in der Bar, sondern im Saal stattfindet, fallen zwar höhere Kosten an, erzählt der Jazzit-Leiter, „etwa für den Tontechniker, den man im kleinen Raum nicht braucht, oder für den Saaldienst, der die Leute laut Corona-Regeln an den Platz führt“. Aber – „so tragisch es klingt“ – es seien ja auch Termine aus- und damit Kosten nicht an-gefallen. „Wenn jetzt nicht nochmal so eine Welle kommt, geht es gut weiter. Wir planen für September.“ Für das Herbstfestival Take the A-Train sei zwar noch vieles unsicher, „aber wir spielen zur Not auch im Freien“.
Andreas Neumayer, der ab 1990 schon Jazz im Theater geleitet hat, lebt für den Jazz. Seit seinen Jugendjahren: „Das war ja soviel spannender als Pop und Rock, ging viel näher und viel tiefer.“ Wie viele Jugendliche habe auch er zunächst Pop und Rock gehört, bis er eine Faszination für Jazz zu entwickeln begann, die bis heute anhält: „Es ist jeden Abend wieder spannend, was auf der Bühne passiert.“ Es bleibe im Jazz immer vieles offen: „Es ist ja doch oft so, dass was ganz Neues entsteht, wenn sie wild zu improvisieren beginnen.“
Wie den Klassik-Fan begeistern auch den Jazz-Fan die individuellen Ausdrucks-Stile der Künstlerinnen und Künstler: „Die meisten großen Musiker, wie bei den Trompetern etwa Miles Davis, erkennt man meist gleich an der Phrasierung.“ In der Klassik könnte man mit ein paar Dutzend Standardwerken die Konzerthäuser in aller Welt bespielen. Auch im Jazz gibt es die berühmten Nummern, die immer wieder packen: „Jedes Mal, wenn ein Standard angespielt wird, klingt er total anders. Jeder Musiker geht es anders an. Dazu kommt die aktuelle Situation, große Bühne oder intimer Club.“
Den Jugendlichen Neumayer packte der Jazz via Ö3. Der Moderator und Jazzexperte Walter Richard Langer habe ihn geprägt: „Der hat Sendezeiten gehabt“, erinnert sich Neumayer, „samstags von 11 bis 12 eine Stunde Jazz oder abends um 20 Uhr.“ Damals habe er das legendäre Köln Concert von Keith Jarrett zum ersten Mal gehört. „Das ganze Konzert auf Ö3 ausgespielt! Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.“
Aus eigener Erfahrung also wisse er, wie wichtig es ist, dass man schon als Jugendlicher mit „seiner“ Musik in Berührung kommt: „Wir machen das ja auch im Jazzit mit unserer Schiene Jazz Cool für Jugendliche. Wenn da ein paar hängen bleiben...“ Übrigens habe man die Corona-Zwangspause genützt, das Jazz Cool Konzept zu überarbeiten. „Es ist eine Mischung aus Vortrag, Schauspiel und Musik. Sechs Musiker stehen auf der Bühne, jeder steht für einen Stil. Da erfährt man spielerisch, was Improvisation alles kann.“ Ab Herbst werde eine Sängerin dabei sein.