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Allerlei Staatsoperetten

KONZERT / OH, DU MEI' ÖSTERREICH

03/11/15 Wie politisch an den Moment gebunden kann und darf Musik sein, auf dass sie trotzdem ihre tagesaktuelle Halbwertszeit lange behält? Was davon kann letztlich als zeitlose Kunst durchgehen? In einem Konzert der Universität Mozarteum hatte man ausreichend Demonstrationsmaterial – und unendlich viel Zeit zum Nachdenken.

Von Reinhard Kriechbaum

An drei Komponisten hat man dieser Tage in einem Symposion „Politische Arien“ ebensolche Statements festgemacht: an den Tirolern Werner Pirchner (1940-2001) und Haimo Wisser (1952-1998) sowie an dem Wiener Otto M. Zykan (1935-2006). Pirchner, ein notorischer Grenzgänger zwischen allem und jedem, war und ist als musikalischer Satiriker und Humorist bestens eingeführt. Auch Zykan war immer einer aus der ersten Reihe, wenn es um ätzende Wort- und Tonmeldungen ging. Mit der „Staatsoperette“ hat Zykan sogar medial ein wenig wirbeln können – in einer Zeit, da der ORF für so etwas noch Willen, Mut und Geld aufbrachte.

Anders liegt der Fall bei dem aus Wien nach Tirol und von der Popmusik zur Beinahe-Klassik exilierten Haimo Wisser. Sein Name ist eigentlich nur mehr Insidern bekannt. Schade, denn seine „Arien und Chöre der Elite“ überliefern ein tönendes Stück Zeitgeschichte. Wisser hat Politikerreden zusammengeschnitten, zu rhythmisch pointierten Loops. Die Hohlheit mancher Formulierung bleibt kenntlich, auch wenn die Semantik aufgelöst ist. Die Stimme Kurt Waldheims, die Wörter „Nebel“ und „Verdächtigungen“ aus seinem Mund – das hat was. Und dazu passen gut die ur-witzigen Sätze für Bläserquintett.

Es war ein viel zu üppiger Abend am Freitag (31.10.) im Großen Saal des Mozarteums, um auch nur die Werkfolge komplett aufzuzählen. Von Pirchner war etwa die knallige Bläserquintett-Nummernfolge „Do you know Emperor Joe?“ zu hören (eine Bühnenmusik zu Herzmanowsky-Orlandos „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“). Aber auch Stücke, die den Komponisten von der melancholischen Seite (Choräle für Streichorchester) oder als postmodernen Klassizisten zeigten. Aus seiner „Emigrantensinfonie“ (1987) erfährt man: Auch ein Austro-Schostakowitsch hat viel Absurdes zu erzählen.

Hansjörg Angerer hat eine Blech-Crew seiner Bläserphilharmonie beigestellt, und er dirigierte das Sándor Végh Kammerorchester. Bartolo Musil hat in einer Vokalperformance vorgeführt, dass Otto M. Zykans „Polemische Arie“ für Sprecher ganz nahe bei Jandl und Rühm steht.

Wer Zykan als Leser eigener Texte und Aphorismen noch im Ohr hat, der hat vielleicht ein wenig gelitten in jenem langen Abschnitt, da Albert Weilguny aus diesem Vorrat an charmanten Bösartigkeiten vorlas. Überhaupt: Die Länge des Abends war ein Problem, angesichts der Klein- und Halbgroß-Meister des Halblustigen. Da musste man schon wild entschlossen sein, sich echt zu amüsieren. Irgendwie trostreich: Miriam Koflers elegant-virtuose Wiedergabe des Stücks „Mit Gottes Hilfe“ von Werner Pirchner war nicht nur buffoneskes, auch musikalisches Glanzlicht. Wiewohl eigentlich ganz unpolitisch.

 

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