Tänzerische Märchenstunde
PHILHARMONIE SALZBURG / ELISABETH FUCHS
22/02/24 Sie traut sich was. Und die Abonnenten folgen ihr willig und dankbar: Elisabeth Fuchs überzeugt mit so manchem Programm abseits vom üblichen Auf-Nummer-Sicher-Gehen. Musterbeispiel das Abo-Konzert im Großen Saal mit der „Paarung“ Zemlinski und Rachmaninow.
Von Horst Reischenböck
Vom Klangbild her war es, trotz Raritäten, natürlich pure Spätromantik. Es gab keine „Verständigungsprobleme“. Alexander Zemlinski ist ja seinem späteren Schwager Arnold Schönberg nicht auf dem Weg zur Zwölftontechnik gefolgt. Er hat´, in Überwindung des übermächtigen Richard Wagner, eher Gustav Mahlers Pfade eingeschlagen.
Das tut auch schon der Beginn seiner dreiteiligen Phantasie für Orchester Die Seejungfrau kund. Hier wird die Frage „Wie komponiert man Wasser“ schlüssig beantwortet. Und zwar – trotz allem Wallen und Wogen gamu anders als im Rheingold. Zemlinski, dessen Schaffen bei uns noch immer geradezu sträflich vernachlässigt wird, wollte ursprünglich zwei Sätze einer Sinfonie schreiben, entschied sich dann aber für Dreiteilung. Bewusst hat er die Bezeichnung Tondichtung vermieden, um sich nicht ins Eck der neu-deutschen Schule stellen zu lassen.
Die Vorlage stammt von Hans Christian Andersen, jenem dänischen Dichter, der übrigens 1834 Salzburg besuchte und, logischerweise, vergeblich nach Mozarts Grab suchte. Drei Jahre später schrieb dieser Die kleine Meerjungfrau, als Märchen aber nicht nur für Kinder. Verbirgt sich dahinter doch das Psychogramm einer unerwiderten Liebe, weil sie sich nicht artikulieren kann. Es ist eins der wenigen Beispiele dafür, wie Leben und Werk eines Künstlers einander entsprechen können: Gab Alma Schindler ihrem Lehrer Zemlinski zugunsten Mahlers den Laufpass... Diesen Kontext projizierte Zemlinski in üppig besetzte ausufernde Klangwelten.
Die vollständige Orchesterfantasie Die Seejungfrau wurde übrigens erst 1976 entdeckt und acht Jahre später in einer von Hans Graf für den Druck korrigierten Gestalt aufgeführt. Das opulente Werk entfaltete kam unter der ambitionierten Leitung von Elisabeth Fuchs volle Wirkung. Mit den Jagdsignalen des Hornquartetts, den gegebenenfalls scharf artikulierenden Trompeten und Posaunen samt Tuba blieb die Wiedergabe in der Dynamik ausbalanciert und auch perfekt innerhalb des akustisch Möglichen im Großen Saals. Tonschön und sinnlich in sich abgerundet alle Holzbläser wie auch das glitzernde Paar Harfen nebst allen Streichern, aus denen heraus der Konzertmeister mit der ersten Cellistin dialogisierte.
Um dieses Besetzungs-Aufgebot sinnvoll zu nutzen war es eigentlich schlüssig, dass sich die Philharmonie Salzburg danach Sergej Rachmaninows ähnlich opulent instrumentierten Sinfonischen Tänze op. 45 widmeten. Da kamen noch ein Flügel und einer ausgezeichnete Saxophon-Solistin dazu. Unterschwellig bis in das immer wieder durchscheinende Dies-Irae-Motiv hinein wurde die zutiefst persönliche melancholische Befindlichkeit des Komponisten gegen Lebensende zu ausgelotet. Rachmaninow hat in diesem Werk zahlreiche Anspielungen auf Eigenes verpackt. Für Kenner eine reizvolle Anregung zu gedanklichen Assoziationen. Als zündender Rausschmeißer diente Alexander Borodins letzter Polowetzer Tanz in der Konzertfassung von Nikolai Rimski-Korsakow und Alexander Glasunow. Begeisternd.
Bild: PhS / Erika Mayer