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Alles, was Flügel hat, fliegt

NEUJAHRSKONZERT / CAMERATA

02/01/24 Es verblüfft immer wieder, wie einfallsreich die Camerata Salzburg auch noch in ihrer bereits 71. Saison Programme zum Jahreswechsel gestalten. Auf den Flügeln der Fantasie sollte das begeistert angenommene musikalische Angebot mit zahlreichen Raritäten dazu dienen, zumindest für zweieinhalb Stunden der Erdenschwere zu entfliehen.

Von Horst Reischenböck

Worum ging es hauptsächlich? Um alles, was Flügel hat. Logischerweise gleich zu Anfang Fasching-selig mit der unverwüstlichen Ouvertüre zur Fledermaus. Diese Vögel tirilieren im Ultraschallbereich, nicht so die Vögel gegen Ende der „Szene am Bach“, dem Andante molto moto aus Beethovens Pastorale. Wobei sich in diesen beiden Fällen (wie dann auch im zweiten Konzertteil bei Jacques Offenbachs feenhafter Schmetterling-Ballettpantomime) der Gedanke einschlich, dass ein ohne Dirigent agierend vollmundig besetztes Orchester wie die Camerata Salzburg trotz gewohntem aufeinander Hörens doch gelegentlich von der Dynamik her durch eine Richtung gebende Hand gesteuert werden sollte.

Ottorino Respighi hat verschiedentlich, in bestem Wissen und Gewissen, Melodien seiner Vorgänger raffiniert farbig instrumentiert und zu Suiten gebündelt. Heute kaum mehr gespielt, wie die Antiche Danze ed Arie oder Gli Uccelli, sprich: Die Vögel. Nur bei der gackernden Henne nach Jean-Philippe Rameau tat er dann doch zu viel des Guten. Für Kenner des barocken Originals ist das schon nicht mehr komisch, sondern streift an der Grenze zum musikalischen Kabarett. Und auch hier gab‘s mit Bernardo Pasquini einen instrumentalen Cuccu – bis hin zu Gustav Mahlers sinfonischem Erstling offenbar absoluter Favorit unter Komponisten.

Des Engländers Ralph Vaughan Williams bei uns kaum je zu hörend zauberhafte Romanze The Lark ascending geriet dann zum ersten Juwel des Nachmittags. Von äußeren Dimensionen her eher eine Petitesse, bot sie dem 40jährigen Konzertmeister Alexander Sitkovetsky Gelegenheit, sich als jubilierende Lerche über das con sordino-Windrauschen seiner Kollegen perfekt und tonschön bis in höchste Regionen seines Instruments aufzuschwingen.

Da fügte es sich auch passend, dass noch vor der Pause Nikolai Rimski-Korsakows berühmter Hummelflug folgte. Von Moderator Josef Radauer in gekonter Art kommentiert und mit der Quizfrage garniert, wie viele unter den Lebewesen fliegen. Die Auflösung blieb er trotz Versprechen später schuldig.

Dafür widmeten sich alle am Podium dann einem Bukett Sträusse – bekanntlich ein Vogel, der nicht fliegen kann. Vorerst mit einer Polka-Tripelpackung: der humorvollen Johann Strauss Sohns voll tirilierender Polka française op. 336 Im Krapfenwald‘l und Tritsch Tratsch op. 214. Darin eingebettet Bruder Josefs elegische Polka mazur Die Libelle op. 204 und die unüberhörbar durch Grigonaș Dinicus Hora staccato beeinflusste, aberwitzige Ciocarlia (eine andere Art von Lerche) vom Berliner Philharmoniker Stephan Koncz. Ein absolutes Showpiece für den aus Moskau gebürtigen Alexander Sitkovetsky, der hier gebührend virtuos zu brillierte.

Der als Ländler bezeichneter Täuberlnwalzer op. 1 von Johann Strauss Vater verwischte schon damals Grenzen. Hoier war er als Wirtshausmusik solistisch mit zwei Geigen, Flöte, Viola und Kontrabass besetzt. Josef Radauer kostete das mit amüsantem G‘stanzl-Singen bis hin zu tagesaktuellen Themen aus. Und nach Sohn Josef Strauss‘ Polka schnell Im Fluge op. 230 durfte als offizieller Schlusspunkt klarerweise dessen bekannter Dorfschwalben-Walzer op. 164 auch nicht fehlen.

Eine letzte Überraschung ließ dann nicht lange auf sich warten, hat die Camerata Salzburg in Andreas Bräunig einen des Gesangs durchaus respektabel mächtigen Geschäftsführer! Der Beweis: Bart Howards durch Frank Sinatra bekannt gewordenes Fly Me to the Moon. Bräunig uns „sein“ Orchester, als veritable Jazz-Bigband: stürmisch bejubelt.

Dieses Programm lässt die Camerata auch am kommenden Sonntag in einer Matinee in Luzern hören - camerata.at
Bild: alexandersitkovetsky.com

 

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