Ist Singen noch in?
HINTERGRUND / BUNDESJUGENDSINGEN
16/05/23 2023 ist wieder ein Jahr des Jugendsingens, das alle drei Jahre – diesmal pandemiebedingt nach vier Jahren – in Form von Regional-, Landes- und dem abschließenden Bundesjugendsingen stattfindet. Die Landeswettbewerbe sind großteils ohne nennenswertes Echo verklungen, auch in Salzburg. – Ein Pädagoge denkt übers Singen in den Schulen nach.
Von Wolfgang Stern
Das Bundesjugendsingen gilt als das größte Jugendchorfestival Europas. Seit 1948 wird es jeweils in einem anderen Bundesland durchgeführt wird. Rund 1.500 Sängerinnen und Sänger zwischen 6 und 24 Jahren werden demnächst in Klagenfurt daran teilnehmen, in Chorkonzerten, am Offenen Singen und am freiwilligen Wertungssingen.
Rund zwei Jahre lang gab es Gesangsproben nur mit den Kreativeren unter den Chorleiterinnen und Chorleitern, via Internet oder sonst auf ungewöhnliche Art und Weise. Nun hat sich die Situation einigermaßen stabilisiert, es wird wieder mehr gesungen. Doch man ringt nach wie vor um Schadensbegrenzung. Nicht alle Singgemeinschaften von früher sind aktiv, und wenn gesungen wird, dann nicht selten mit Niveauverlust.
Als pensionierter Pädagoge, der ein Leben lang mit Musik zu tun hatte, komme ich nicht umhin, Tatsachen zu erwähnen, die ganz unabhängig von der Pandemie und ihren Nachwirkungen Niveau im Gesang behindern, und zwar in jeder Altersstufe:
– Politiker erwähnen kaum oder gar nicht die Wichtigkeit und Notwendigkeit der kulturellen und musikalischen Ausbildung unserer Jugend. Meist bleibt bei Floskeln in diese Richtung. Eine ambitionierte Ausnahme ist die Initiative "Singende Klassenzimmer" im Bundesland Salzburg.
– Die Lehrpläne an den Pädagogischen Hochschulen lassen gar keine vernünftige musische Ausbildung zu, das Stundenkontingent ist zum Beispiel für angehende Volksschullehrerinnen und -lehrer im musischen Bereich geradezu lächerlich. Die Kopflastigkeit der Ausbildung überwiegt, für die Entwicklung der inneren Werte unserer heranwachsenden Jugend gibt es einfach zu wenig Beachtung.
– Man muss schon Glück haben, wenn man in der Volksschule eine Pädagogin hat, die Musik in allen Facetten anbietet und Kinder zum Singen motivieren kann. Im Kindergarten ist die Situation etwas besser.
– Medial ist die Schule fast nur negativ in den Schlagzeilen. Fachleute kommen kaum zu Wort. Wann ist schon Musik ein Thema? Mit Mobbing unter Kindern, Familientragödien gewinnt man wahrscheinlich mehr Leser als mit Berichten über Chortreffen, Chorwochen, Singen für Menschen in Altersheimen...
Eine Geschichte aus meiner Familie: Meine Enkelin geht in ein Gymnasium und singt nebenbei an einem Chor des Konservatoriums und kann vergleichen. Am Konservatorium wird eher herkömmliches Liedgut gelernt, an der Schule in der Klasse wird kaum gesungen, „weil die Kinder eh nicht singen wollen“, so ihre Aussage. Und wenn gesungen wird, dann völlig andere Dinge als in der Freizeiteinrichtung. Die Enkelin liebt die Liedauswahl am Konservatorium. Die Motivation ist unendlich wichtig.
Österreich – ein Musikland? War es vielleicht einmal. Für mich ist es ein Brechmittel, wenn unsere Nationalspieler die österreichische Hymne derart falsch singen. Entweder üben oder bitte Mikrofon ausschalten. Es ist zu blamabel.
Es wird schwierig, wenn gemeinsames Musizieren in der Familie aus verschiedenen Gründen keinen Platz mehr findet. Es frustriert, wenn ein jahrelanger Schulversuch „Musikklassen in der Volksschule“ nicht in das Regelschulwesen übernommen und einfach rückgestellt wird.
2023 ist also wieder ein Jahr des österreichischen Jugendsingens. Die Regional- und Landesausscheidungen sind bereits vorbei. Das Salzburger Landesjugendsingen hat von 24. bis 27. April in Saalfelden stattgefunden. Nirgendwo ein Plakat, das darauf hingewiesen hätte. Letztlich wussten nur Insider davon. Der Webauftritt ist mehr als mickrig. In den Medien mehr gelesen als Randnotizen? (Die Redaktion des DrehPunktKultur hat nicht einmal eine Ankündigung der Veranstaltung erreicht, Anm.) Der PR-Umgang mit dem Jugendsingen, Hauptveranstalter sind das Bundeskanzleramt und das Kulturministerium, ist verblüffend unterbelichtet.
Knapp sechzig Chöre haben am Salzburger Landesjugendsingen teilgenommen. Für das Bundesjugendsingen haben sich fünf Ensembles qualifiziert: Der 1c-Klassenchor der Musikmittelschule St. Johann (Hermann Weißofner), der BORG Gastein Chor (Elisabeth Wieland), die Singschule des Musikum Salzburg-Stadt (Gerhild Zeilner), die Cantophonics (Klassenensemble der 7b des PG Borromäum, Moritz Guttmann) und die Jugendkantorei am Salzburger Dom (Gerrit Stadlbauer).
Das 25. Bundesjugendsingen findet von 26. bis 29. Juni 2023 in Klagenfurt statt – www.jugendsingen.at
Bilder: Land Salzburg / Klaus Bauer-PhotomotionSaalfelden; akzente Salzburg