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Alles, was Odem hat, darf atmen

MOZARTEUMORCHESTER / BACHCHOR

16/01/22 Suzuki, Gründer und Leiter des schon legendären Bach Collegiums Japan, dirigiert Musik bis hin zu Strawinsky, was hierzulande kaum bekannt ist. Das Debüt des rüstigen älteren Herrn mit wallender weißer Mähne und Bart am Pult des Mozarteumorchesters wurde in der vierten Sonntagsmatinee im Großen Festspielhaus zum Triumph.

Von Paul Kornbeck

Maestro Suzuki ist kein Verfechter des asketischen Originalklangs, was schon zu Beginn ein Blick auf die im Prinzip ohnehin dem Raum geschuldete große Streicherbesetzung klar macht. Da stand Mozarts einzige wirkliche Schauspielmusik, die zu Thamos, König von Ägypten auf dem Programm. Die auf Etappen von 1773 bis 1779 entstandenen Zwischenaktmusiken zu einem vergessenen, hanebüchenen Drama sind typische Gelegenheitsarbeiten, die man gelegentlich gerne hört. Obwohl nicht sonderlich inspiriert, stammen sie halt von Mozart. Man kann sich zwischen den kunstfertig dahinplätschernden, serenadenhaften Teilen an leisen „Zauberflöte“:Vorahnungen erfreuen und an ein paar in die Zukunft weisenden dynamischen Akzenten. Im zweiten Satz gibt es ein balsamisches Oboensolo, das für Glücksmomente sorgt, wenn es wie diesmal von einer Solistin wie Isabella Unterer gespielt wird. Der Dirigent sorgte für liebevoll organisierten Ablauf und ließ das Orchester das tun, was es eh im Schlaf kann.

Die Stunde der Interpretation schlug nach der Pause. Felix Mendelssohn Bartholdys postum als Zweite Symphonie eingereihte Sinfoniekantate Lobgesang – so und nicht anders lautet der originale Titel des Werks – ist ein lange verkanntes Meisterstück, in dem vierhundert Jahre nach Erfindung des Buchdrucks anno 1840 zu Leipzig im Gewandhaus ausgiebig Gott gelobt wurde, in der Hauptsache mit Psalmen aus der Luther-Bibel. Die war ja einer der ersten Bestseller im Druck. Das Gotteslob wird durchpulst von erfrischender Fröhlichkeit und spiritueller Freude, die thematische Klammer „Alles, was Odem hat“ ist ein echter „Schlager“ - grandios übrigens die drei Posaunisten! In der einleitenden, dreiteiligen, aber pausenlosen Instrumentalsymphonie ist der Mittelteil erfüllt von zauberhaftester Sommernachtstraum-Stimmung. Im Gegensatz zum Vorbild, natürlich Beethovens Neunter, dominiert jedoch der viel längere Vokalteil. Bach'sche Choralkunst wird im herrlichen Chor „Nun danket alle Gott“ zu romantischer Emphase entfacht, nachdem der Tenorsolist mit nahezu Wagner-schem Glanz das Ende der Nacht gefordert hat.

Dies alles brachte Masaaki Suzuki mit dem aufs Allerbeste aufspielenden Orchester und dem phänomenal tonschön und wortklar singenden Salzburger Bachchor (Einstudierung Benjamin Hartmann) meisterlich zur Geltung, ganz ohne barockisierende Hetzjagden, mit einem feinen Gespür für die exquisite Mischung aus Klassizismus und hochromantischer Emotion. Er brauchte dazu, dies lässt sich kontrollieren, etwa genau so lange wie Wolfgang Sawallisch im Jahr 1967 in London – knapp über eine Stunde. Und alles, was Odem hatte, atmete, ohne zu keuchen und zu schnattern, und „lobte den Herrn“ und die Schöpfung. Benjamin Bruns, der großartige Salzburger Lohengrin von 2018, war in seinem lyrisch-dramatischer Tenor-Element, die Sopranistin Christina Landshamer schloss nach anfänglichem Flackern gut zu ihm auf, ihre Fachkollegin Marie Henriette Reinhold sekundierte mit edlen Tönen im Duett.

Heller Jubel am Ende, zu recht! Noch eine Anmerkung: Ein gewisser Albert Lortzing hat zum Buchdruck-Jubiläum damals die heute fast vergessene Festoper geliefert – Hans Sachs. Ausschnitte daraus wären bei der nächsten Lobgesang-Aufführung ein dramaturgisch schlüssiger, lohnender Auftakt vor der Pause.

Bild: Marco Borggreve

 

 

 

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