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Die Violine ist die bessere Gambe

CD-KRITIK / EXQUISITE NOYSE

13/09/16 Wahrscheinlich denkt man zu wenig darüber nach, dass die Violine nicht vom Himmel gefallen ist. Sie lag eher nicht wie ein Göttergeschenk einfach da als es galt, der gesungenen Monodie eine ähnlich eloquente Begleitmusik zur Seite zu stellen.

Von Reinhard Kriechbaum

Erstaunlich eigentlich, wie wenig man weiß über die Violine vor dieser Zeit. Immerhin: Die älteste Geige aus dem Jahr 1542 wird Andrea Amati, dem Stammvater der Geigenbauerfamilie, zugeschrieben. Aber das war wohl nicht der Anfang.

Dem Beginn der Geige im Cinquecento spürt Paula Kibildis mit ihrem Ensemble „Exquisite Noyse“ nach. Nomen est omen: Um die Suche nach dem exquisiten, also vom jenem des bis dahin üblichen Gambenconsorts sich abhebenden Violinklangs geht es den Musikern.

Nicht anders als die Gamben werden auch die Violinen zuerst als dienende Gruppe der Sänger Gruppe in Erscheinung getreten sein und sich an deren wortbezogener Gestaltung orientiert haben. Dabei hatten sie auf lange Sicht deutlich bessere Optionen als die Gamben.

Es hat also etwas Plausibles, dass „Exquisite Noyse“ zu Vokalmusik greift. Ja, man lässt im Booklet sogar die Gesangstexte abdrucken – so, als sollten die Hörer angeregt werden, über mögliche Textaufteilung, also das „Sprecherische“ in der Musik nachzudenken. Im Fall von Josquins „Ave Maria“ mit dem durch einige Chorsammlungen populär gemachten Mittelteil „Ave vera virginitas“ besteht sogar Hoffnung, dass einige Hörer das vokale Original im Ohr haben. Ein schmaler Grat trotzdem, auf dem man da balanciert: Der homogene Consortklang ist zu wahren, melodische Wendungen sind schon rhetorisch aufzupäppeln. In ein paar anonymen vierstimmigen Sätzen, teils auch mit harfengezupftem Continuo (Vincent Kibildis), wird der Weg zum selbständigen Instrumentalstück nachgezeichnet.

Was diese Quelle „Royal App“ (um 1550) anlangt, ist das Begleitheft leider gar nicht aussagefreudig.

Jedenfalls kann man sich sehr gut hineindenken, wie sich Geiger auf dem neuartigen Instrument quasi Hand in Hand mit den Sängern in eine neuere (noch lange nicht: barocke) Welt hingetastet haben. Hier in geistlichen und madrigalesken Werken von Jacob Arcadelt, Philippe Verdelot, Clément Janequin. Die rhetorischen Möglichkeiten des Instruments machten das Diminuieren, wie es die Gamben pflegten, noch lange nicht unnötig. Diese Ambivalenz haben die Musiker sehr überzeugend im Griff, und im letzten, anonymen Stück dieser Zusammenstellung, „La rocha el fuso“, führen sie gerade in der Kombination aus neuartig sprechender Artikulation und gediegener Verzierungskunst deutlich vor, dass sich die Violine alsobald als der Gambe überlegenes Instrument emanzipieren sollte.

La voce del violino. Musik des 16. Jahrhunderts für Violinconsort. „Exquisite Noyse“. Perfect Noise 2015 – www.perfect-noise.de

 

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