Die achte Saite
CD-KRITIK / GAMBE
08/01/21 Da kam 1656 ein musiksinniger englischer Kaufmann durch Innsbruck und traf auf einen Landsmann, den famosen Gambisten William Young, der hier in der Hofkapelle von Erzherzog Ferdinand Karl engagiert war. Dieser William Young führte dem Gast ein selbst entwickeltes Instrument vor: eine achtsaitige Gambe.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein Kuriosum. Damals war sonst noch nicht mal von einer potentiellen siebten Saite die Rede. Ein Innsbrucker Instrumenteninventar bestätigt das Vorhandensein eines solchen Prototyps. Leider hat sich kein einziges Notenblatt mit Musik für die „Octocordall Viall“ erhalten.
Sonst aber schöpfen die Gambistin Juliane Laake und ihr Ensemble Art d'Echo aus dem Vollen, was die Musik des Englishman in Tyrol betrifft: William Young galt den Zeitgenossen als Koryphäe schlechthin auf der Gambe. Gedruckt wurde zu Lebzeiten zwar nur eine Sammlung mit Sonaten und Suitensätzen, aber handschriftlich sind Werke von Österreich über England und Schweden bis nach Polen aktenkundig. Vieles ist auf dieser CD zum ersten Mal eingespielt.
Die Besetzungen sind bunt: Zwei Violinen und Viola da Gamba plus Continuo, zwei Gamben mit Continuobegleitung, drei Gamben im Consort. Und natürlich Solowerke. Das ergibt ein schönes Zeit-Tonbild darüber, was ein wendiger Gambist damals alles hat anfangen können mit sich, seinen Kollegen und seinem Instrument. Auch auf sechs Saiten.
Warum und wie kam William Young überhaupt nach Innsbruck? Wahrscheinlich gehörte er zu jener zahlenmäßig großen Gruppe von englischen Musikern, die ob ihres katholischen Glaubens das Land lieber verließen, zumal unter Oliver Cromwell die Kultur plötzlich einen schweren Stand hatte. Wahrscheinlich ist er in den 1640er Jahren in den Niederlanden gewesen – aber das ist ebenso wenig aktenkundig wie sein Geburtsjahr. Ab 1652 jedenfalls wirkte er am Innsbrucker Hof, bis zu seinem Tod 1662. Mit seinem Dienstgeber kam er viel herum, zwei Mal nach Italien, ein Mal zum reichtag nach Regensburg. Der musikalische Horizont war jedenfalls weit, und so mischen sich in William Youngs Stücken englische und italienische Stilelemente. Mal ist er mehr der Consortmusik seiner Heimat verhaftet, dann wieder – vor allem wenn die Geigen mitspielen – zeigt er sich mit dem im italienischen Gusto ebenso vertraut. Die Mischung macht den Reiz aus, wie überhaupt diesen Kompositionen ein gerüttelt Maß an Unvorhersehbarkeit eignet.
Kein Wunder also, dass Juliane Laake und ihr Ensemble Art d'Echo Funken schlagen aus diesen Angeboten. Leider finden sich keine Hinweise im Booklet, woher genau die Noten kommen. Vor allem in Bezug auf eine Suite in D für zwei Violen da Gamba ist das zu bedauern: neun attraktive, im Zusammenspiel höchst lebendige und auch fordernde Tanzsätze von fast einer Viertelstunde Spieldauer. Das könnte nicht nur Gambenstudenten reizen, wenn sie sich nach Duomusik für ihr Instrument umsehen.
Englishman in Tyrol. Werke für Gambe von William Young. Juliane Laake (Viola da Gamba), Ensemble Art d'Echo. Querstand – www.jpc.de