Weder Himmel noch Hölle
IM PORTRÄT / INGO SCHULZE
06/04/21 Er schreibt über die DDR ganz ohne Idealisierung oder Verdammung und setzt seine literarische Verarbeitung „immer auch ins Verhältnis zur Gegenwart“. Das Netzwerk der Literaturhäuser, zu dem auch das Literaturhaus Salzburg gehört, verleiht seinen mit 20.000 Euro dotierten Preis 2021 dem Autor Ingo Schulze.
1962 in Dresden geboren, studierte Ingo Schulze klassische Philologie in Jena und arbeitete zunächst als Schauspieldramaturg und Zeitungsredakteur. 1995 erschien sein erstes Buch 33 Augenblicke des Glücks. Es folgten Romane, Erzählungen, Essays und Reden, darunter Simple Storys (1998), Neue Leben (2005), Adam und Evelyn (2008) und Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst (2017). Sein jüngster Roman Die rechtschaffenen Mörder erschien 2020 und war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Ingo Schulze wurde für sein Werk mit zahlreichen, auch internationalen Preisen geehrt sowie im Oktober 2020 mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für sein Engagement als politischer Autor und Künstler ausgezeichnet.
„Es ist vor allem die Zeit der DDR, die Wendezeit und Nachwendezeit, die Ingo Schulze literarisch in seinen Büchern bearbeitet. Er setzt seine literarische Verarbeitung „immer auch ins Verhältnis zur Gegenwart, zum ungebremsten und entsolidarisierten globalen Kapitalismus“. Schulze beschreibe, heißt es in der Jury-Begründung, weder die DDR als idyllisches Nest, noch setze er das westdeutsche Gegenüber leuchtend in Szene.
„Seine Literatur ist vielmehr als Einladung zu verstehen, sich auf ein Lesen und Denken zwischen Entwirrung und abermaliger Verwirrung einzulassen, gelegten Fährten zu folgen, Mehrdeutigkeiten zuzulassen und auszuhalten, um am Ende im Zweifelsfall alles noch einmal neu zu befragen – und das lesende Selbst sowieso.“
„Wer wir sind, woher wir kommen, wie wir erinnern und wohin wir steuern, all das ist bei Schulze nicht enggeführt auf den Kosmos BRD/DDR, sondern übertragbar und hochaktuell für unser Mit-, Neben- und Gegeneinander in Europa und in der Welt.“
Wichtig für die Jury zum Preis der Literaturhäuser ist immer auch die „Performance“ der Geehrten: „Bei Veranstaltungen mit Ingo Schulze auf der Bühne vermitteln sich diese Lust an der Sprache und am Spiel und seine Liebe zu den Figuren und ihren Verstrickungen unmittelbar.“ Schulze ziehe in das Publikum schon nach wenigen Minuten in seine „literarischen Räume“. Die „ausgeprägten integrativen Fähigkeiten“ des Autors seien wichtig „in Zeiten affektiver Zuspitzung und Gereiztheit“.
Bisherige Preisträger waren Ulrike Draesner (2002), Bodo Hell (2003), Peter Kurzeck (2004), Michael Lentz (2005), Uwe Kolbe (2006), Sibylle Lewitscharoff (2007), Anselm Glück (2008), Ilija Trojanow (2009) , Thomas Kapielski (2010), Elke Erb (2011), Feridun Zaimoglu (2012), Hanns Zischler (2013), Judith Schalansky (2014), Nicolas Mahler (2015), Ulf Stolterfoht (2016), Terézia Mora (2017), Jaroslav Rudis (2018), Antje Rávik Strubel (2019) und Marlene Streeruwitz (2020).
Der Preis ist verbunden mit einer Lesereise durch die Literaturhäuser des Netzwerks und mit
20.000 dotiert. Die Termine der Lesereise und der Station des Autors in Salzburg, werden noch bekannt gegeben. (Literaturhaus Salzburg / dpk-klaba)