Nicht den Schmerz lindern, doch den Schrei lösen
10 JAHRE SALZBURGER STEFAN ZWEIG POETIK VORLESUNG / DORON RABINOVICI
11/05/18 Doron Rabinovici ist der zehnte Dozent der „Salzburger Stefan Zweig Poetikvorlesung“. Von 14. bis 18. Mai wird Rabinovici über Identitätsfragen in seinem Schreiben und über Aspekte des Widerständigen in der Literatur sprechen.
Von Heidemarie Klabacher
Für Stefan Zweig (1881-1942) war die europäische Idee ein zentraler Motor seines künstlerischen Schaffens. Daran anknüpfend, werden seit zehn Jahren Autorinnen und Autoren, für die die Vermittlung zwischen den Kulturen ein zentraler Aspekt der künstlerischen Arbeit ist, eingeladen zur „Salzburger Stefan Zweig Poetikvorlesung“. Die Veranstaltungen richten sich an eine interessierte Öffentlichkeit, sind aber auch Teil des universitären Curriculums.
Vorträge, Lesungen, Konversatorien und Gespräche ermöglichen den Teilnehmerinnen und Teilnehmer „eine einzigartige und intensive persönliche Begegnung mit renommierten zeitgenössischen Autorinnen und Autoren“. Besonders spannend: „Die Liste der Gäste macht deutlich, dass die deutschsprachige Literatur ganz wesentlich von Schriftstellern geprägt ist, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die zweisprachig aufgewachsen sind.“
Christa Gürtler hat die Poetikvorlesung angeregt und als Kooperation zwischen Fachbereich Germanistik, Stefan Zweig Centre und Literaturforum Leselampe realisiert - gemeinsam mit den Fachbereichsleitern Karl Müller und, ab 2013, Norbert Christian Wolf. Christa Gürtler erinnert an die bisherigen Begegnungen: „Der in Sarajewo und Graz lebende bosnische Autor Dževad Karahasan vermittelte uns seine philosophischen Einsichten von ‚Zeit und Erzählen‘ zwischen Okzident und Orient. Der ukrainische Autor Juri Andruchowytsch erkundete die ‚Geopoetischen Zonen Europas‘ und lenkte dabei den Blick auf Mittel-Ost-Europa. Die in der Schweiz lebende vielsprachige Schriftstellerin und Übersetzerin Ilma Rakusa ging den Spuren autobiographischer Literatur nach und erforschte ‚Schreiben als Bildungsroman‘. Der in der Türkei geborene Feridun Zaimoglu konfrontierte sich in ‚Selbstverschwendung (in drei Bildern)‘ mit dem Prozess seines eigenen Schreibens. Der ‚Weltensammler‘ Ilija Trojanow entwarf in seiner Vorlesung seine ‚Kartographie der Phantasie‘. Terézia Mora zeichnete in ihren Vorlesungen ‚Der geheime Text‘ ihren Weg von der ungarischen in die deutsche Sprache nach. Michael Stavarič definierte seine Autorposition als ‚Sprachwanderer‘ zwischen tschechischer und deutscher Sprache. Die slowenische Autorin Maja Haderlap reflektierte ihren ‚Seitenwechsel‘“ von ihren slowenischen Gedichtanfängen zum Schreiben in deutscher Sprache. Und die in Iowa als Tochter amerikanischer Eltern geborene Ann Cotten fragte in ihren Vorlesungen ‚Was geht?‘“
Nun also folgt Doron Rabinovici mit seiner Vorlesungsreihe „I wie Rabinovici. Zu Sprachen finden“. Von 14. Mai bis 18. Mai wolle Doron Rabinovici erkunden, „wie vielfältig Sprache von Anfang an ist und wie unterschiedlich die eigene Identität erfahren werden kann“. Der Begriff „Weltliteratur“ gewinne, so Christa Gürtler, „in unserer Zeit an neuer Bedeutung, da immer mehr Menschen uns Geschichten jenseits jeglicher völkischer oder staatlicher Begrenzung erzählen“. Auch werde „Literatur wird in einer Zeit, da die Überlebenden des Holocaust wegsterben, eine Stimme gegen Geschichtslüge und gegen Wirklichkeitsverleugnung“. Was immer Literatur zu leisten vermag: „Die Worte reichen nicht aus. Aber dieses Versagen verurteilt uns nicht zum Verstummen, sondern spornt zum Fortschreiben an, zum Widerwort und zum nächsten Versuch, denn Kunst kann zwar den Schmerz nicht lindern, doch den Schrei lösen.“
In seinem Roman „Die Außerirdischen“ landen Außerirdische auf der Erde, Chaos und Angst greifen um sich. Die Polit- und Mediensatire zeigt, dass Widerstand möglich ist und dass es keine Außerirdischen braucht, „um sich selbst unheimlich zu werden“.
Doron Rabinovici, geboren 1961 in Tel Aviv, übersiedelte mit seinen Eltern 1964 nach Wien, wo er aufwuchs und als Schriftsteller und Historiker lebt. Sein Werk umfasst Kurzgeschichten, Romane, Essays und wissenschaftliche Beiträge. In Österreich hat er immer wieder prominent Position gegen Rassismus und Antisemitismus bezogen. Zuletzt erschienen 2010 die Romane „Andernorts“ und 2017 „Die Außerirdischen“ im Suhrkamp Verlag.
Bisher sind die Vorlesungen von Ilma Rakusa, Feridun Zaimoglu, Terézia Mora und Michael Stavarič im Wiener Sonderzahl Verlag als Bücher erschienen, im Juni 2018 erscheint als Band 5 die Vorlesung von Ann Cotten, weitere Publikationen sind geplant.
Eröffnet wird die zehnte „Salzburger Stefan Zweig Poetikvorlesung“ am Montag (14.5.) um 17 Uhr im UNIPARK Nonntal von Rektor Heinrich Schmidinger - alle Veranstaltungen und Termine - www.leselampe-salz.at - www.uni-salzburg.at
Bild: Leselalmpe / Lukas Beck