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Musil-Stadt Salzburg?

TAGUNG / ROBERT MUSIL

11/09/17 Georg Trakl-Stadt? Aber ja doch, der wurde hier geboren. Stefan Zweig-Stadt? Der große Europäer hat hier ein Schlösschen bewohnt. Thomas Bernhard-Stadt? Dieser ist hier ins Internat, in die Kaufmannslehre und aufs Mozarteum singen lernen gegangen - und hat Skandal gemacht. Aber Robert Musil?

Von Heidemarie Klabacher

Gut, bei den Festspielen gab es jüngst eine Marathon-Lesung aus dem „Mann ohne Eigenschaften“. Aber sonst? Wer verbindet den Vater des unglücklichen Zöglings Törleß mit der Mozartstadt? Hat den nicht Klagenfurt gepachtet?

Die Salzburg-Bezüge sind jung, aber enger als man meinen möchte.

„Musil, 1880 in Klagenfurt geboren, ist heute vor allem für sein Debüt ‚Die Verwirrungen des Zöglings Törleß‘ und den unvollendet gebliebenen Monumentalroman ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘, an dem der Autor mehr als zwanzig Jahre gearbeitet hat, bekannt“, sagt der Salzburger Germanist und Musil-Experte Harald Gschwandtner. „In den 1920er Jahren war Musil aber auch als Feuilletonist und Kurzprosaautor für zahlreiche deutschsprachige Zeitungen aktiv.“ 1936 erschien, Musils Bücher waren im Dritten Reich bereits verboten, eine Sammlung seiner Kurzprosatexte mit dem Titel „Nachlass zu Lebzeiten“ in Zürich: Dieser Band enthalte, so Gschwandtner, neben Texten wie „Das Fliegenpapier“, „Die Affeninsel“ oder „Der bedrohte Ödipus“, auch die Novelle „Die Amsel“. „Und diese gehört zu den faszinierendsten Erzählungen der literarischen Moderne.“

Den „kleinen“ Texten Musils, von Erzählungen bis Zeitungsartikeln, gilt von 14. bis 16. September erstmals in Salzburg eine ausgewiesene Musil-Tagung. Veranstalter ist die Internationale Robert-Musil-Gesellschaft, die seit dem Vorjahr ihren Sitz in Salzburg hat! Vortragende aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Großbritannien werden sich unter dem Titel „Poetik der kleinen Form“ mit „Kurzprosa und Feuilleton bei Robert Musil und Zeitgenossen“ befassen. Wichtig sei der Vergleich mit anderen zeitgenössischen Autoren wie Franz Kafka, Joseph Roth und Robert Walser, sagt Harald Gschwandtner.

Der Literaturwissenschaftler fasst eine lange Entwicklung zusammen: Die Internationale Robert-Musil-Gesellschaft (IRMG) wurde 1974 unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Bruno Kreisky gegründet und war zunächst an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken beheimatet. Seit 1975 gibt die Gesellschaft ein wissenschaftliches Jahrbuch, das Musil-Forum, heraus – und bereits seit 2009 erfolge die Redaktion des Jahrbuchs am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg. Die IRMG hatte den letzten Jahren ihren Sitz am Klagenfurter Musil-Institut, im Geburtshaus Musils. Dort wurde auch die digitale „Klagenfurter Ausgabe“ herausgebracht. Im Vorjahr übersiedelte die Geschäftsstelle nach Salzburg. Sie wird, ebenso wie die Redaktion des Musil-Forums, von Harald Gschwandtner betreut. Ebenfalls seit 2016 ist Norbert Christian Wolf, Professor für Neuere deutsche Literatur am Fachbereich Germanistik, Präsident der Gesellschaft. Die Geschäftsstelle der IRMG und die Redaktion des Musil-Forums werden seither von der Abteilung Wissenschaft, Erwachsenenbildung und Bildungsförderung des Landes Salzburg gefördert.

„Salzburg wird damit immer mehr zur Musil-Stadt“, betont Harald Gschwandtner. Seit 2016 wird im Jung und Jung Verlag, betreut vom Klagenfurter Germanisten Walter Fanta, eine zwölfbändige Robert-Musil-Werkausgabe veröffentlicht, die 2022 ihren Abschluss finden soll. „Ihre Besonderheit ist, dass die gedruckten Bücher durch die Online-Plattform „MUSIL ONLINE“ ergänzt werden, auf der weitere Informationen, Werkmaterialien oder Erstdrucke frei zugänglich sind. Diesen Herbst erscheint der vierte Band.

„Die biographischen Bezüge Musils zu Salzburg sind indes überschaubar“, gesteht der Musil-Experte Harald Gschwandtner und zitiert den Autor: „Die Großeltern meines Vaters mütterlicherseits haben in Salzburg gelebt u. sind dort gestorben, meine Großmutter vaterseits ist dort geboren. / Meine Großmutter mutterseits ist in Salzburg begraben, so daß ich dort auf dem Friedhof drei Ahnen liegen habe“, schreibt Robert Musil in den 1930er Jahren in einer Notiz. Im Juni 1936 dachte das Ehepaar Musil bei der Suche nach einer Sommerfrische, die „nicht hoch“ liegen, aber doch „Gebirgsluft“ zu bieten haben sollte, auch an, wie es in einem Brief heißt, „Golling hinter Salzburg“. Die Wahl fiel schließlich jedoch nicht auf den Tennengau, sondern auf das niederösterreichische Reichenau an der Rax. Und der Autobus im Kaufhaus? Harald Gschwandtner lüftet auch dieses Geheimnis: Das historische Foto zeige „einen Omnibus der Berliner ABOAG, zu dem Musil einen Text mit dem Titel 'Der Riese Agoag' geschrieben hat".

„Poetik der kleinen Form. Kurzprosa und Feuilleton bei Robert Musil und Zeitgenossen.“ Tagung der Internationalen Robert-Musil-Gesellschaft, 14. bis 16. September, Edmundsburg. Am Donnerstag (14.9.) wird, in Kooperation mit DAS KINO und dem Literaturforum Leselampe, eine aktuelle Verfilmung von Musils Theaterstück „Die Schwärmer“ erstmals in Salzburg präsentiert. Während der Tagung wird eine Plakatausstellung zu Musils Kurzprosa- und Feuilletonbeiträgen gezeigt.
Bilder: Sammlung Karl Corino (1); Tagungsfolder (1)

 

 

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