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Steckmücke und Höllenbad

STEFAN ZWEIG POETIKVORLESUNG / ANN COTTEN

11/05/17 „Jikiketsugaki“ ist eine als Stechmücke wiedergeborene Seele. Sie gehört zu den hungrigen Dämonen, die für ein gieriges Leben büßen. Der irisch-griechische Schriftsteller Lafcadio Hearn (1850-1904) hat das seltene Wort in seinem Werk „Kwaidan“ verwendet, Ann Cotten als Titel für ihr jüngstes Buch.

Von Heidemarie Klabacher

Ann Cotten, eine der unkonventionellsten Schriftstellerinnen der jüngeren Generation, hält bis Freitag (12.5.) die Vorlesungen und Konversatorien der 9. Stefan-Zweig-Poetikvorlesung. Ihr neuestes Buch, erschienen im Verlag Peter Engstler, heißt „Jikiketsugaki. Tsurezuregusa“. „Tsurezuregusa“ ist Titel einer Sammlung von Beobachtungen und Notizen des Mönchs Kenko und bezeichnet müßig und leicht Dahingeschriebenes. So locker und frei bekennt und benennt die Autorin Ann Cotten die Quellen, aus denen sie für ihr jüngstes Buch schöpfte – auf der website des Verlages oder auf der Einladung zur Buchpräsentation im Rahmen der 9. Stefan-Zweig-Poetikvorlesung.

Seit 2008 gibt es in Salzburg die Stefan-Zweig-Poetikvorlesungen. Sie werden gemeinsam vom Fachbereich Germanistik, dem Literaturforum Leselampe und dem Stefan Zweig Centre veranstaltet. Eingeladen sind Schriftstellerinnen und Schriftsteller, für die die Vermittlung zwischen den Kulturen ein zentraler Aspekt ihrer künstlerischen Arbeit ist. Im Rahmen der heurigen Stefan-Zweig-Poetikvorlesung präsentierte Ann Cotten „Jikiketsugaki. Tsurezuregusa“, mit dem sie mit kalligrafischen Pinselstrichen wie mit Leimruten ihre Leserschaft in den fernen Osten zieht.
Jikiketsugaki nennt man in Japan einen hungrigen Dämon. Gemeint sind die wiedergeborenen Unersättlichen, die als Stechmücken den Wasserschalen auf Friedhöfen entsteigen - bekannt aus einem Buch von Lafcadio Hearn, der mit seinen Werken das westliche Bild von Japan stark geprägt hat. Tsurezuregusa hingegen ist der Titel einer Sammlung von kurzen Beobachtungen des Mönchs Kenko, „dessen philosophische Gelassenheit bei pointierter Scharfsinn seit Jahrhunderten als vorbildlich gelten“, so die Veranstalter. Ann Cottens Buch versammele „Prosa und Gedichte und ganz anderes“. Ihre Texte seien „die Spuren einzigartiger Versuche, die üblichen im Grunde kitschigen Beweggründe für Ästhetik zu verlassen“.

„Fortbewegungsarten wie übertriebene Theorien“ hieß die erste Vorlesung und „Die Grenzen der Grammatik – Literatur als Gelenktaschenlampe“ die zweite. Die dritte Poetikvorlesung heute Donnerstag (11.5.) heißt „Tintenkilometer. Motorik und Denken“. Sie spreche in ihren Vorlesungen „über die Korrespondenzen von Gehen und Schreiben, sie wird dorthin leuchten, wo man grammatikalisch korrekt gar nicht hinkommt“.

Ann Cotten, geboren 1982 in Iowa, wuchs in Wien auf und studierte Germanistik, seit 2006 lebt sie in Berlin. Für ihre Lyrik und Prosa wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa 2014 mit dem Adalbert von Chamisso-Preis, 2015 mit dem Klopstock-Preis oder erst heuer mit dem Hugo-Ball-Preis. Zuletzt erschienen der der Erzählband „Der schaudernde Fächer“ (2013) und das Versepos „Verbannt“ mit Illustrationen der Autorin (2016) im Suhrkamp Verlag und nun „Jikiketsugaki.Tsurezuregusa“ im Verlag Peter Engstler.

Ann Cotten ist die neunte Dozentin der Stefan Zweig-Poetikvorlesung, die an der Universität Salzburg eingerichtet wurde. Die Teilnahme an den Vorlesungen, Konversatorien und der Abendveranstaltung ist für alle Interessierten öffentlich zugänglich.

Weitere Termine Donnerstag (11.5.) 17 bis 19 Uhr und Freitag (12.5.) 10 bis 14 Uhr - www.uni-salzburg.at
Bild: Literaturforum Leselampe/ Julien Menand

 

 

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