Im Paradies regnet es nicht
LESEPROBE / DANNER / REGEN IN SALZBURG
17/11/16 Die älteste bisher bekannte Auswirkung des Regenwetters in Salzburg ist in einem Exzerpt des bayerischen Geschichtsschreibers Johannes Aventinus (1477-1534) aus alten Salzburger Annalen im Jahr 857 vermerkt. Sie lautet schlicht: „Große Überschwemmung“ – Peter Danner hat ein Buch über den Regen hierzulande geschrieben. Eine Leseprobe.
Von Peter Danner
Die Geringschätzung des Regens hat im Abendland eine mehrere Jahrtausende alte Tradition. In der Antike wurde dem Paradies schönes Wetter und der Hölle schlechtes Wetter zugeordnet. In der Odyssee Homers (8. Jahrhundert v. Chr.) wurde vom Elysion (Paradies) erzählt:
„Dort ist kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen;
ewig wehn die Gesäusel des leise atmenden Westes,
welche der Ocean sendet, die Menschen sanft zu kühlen.“
Später stellten sich auch die Christen ein Paradies ohne Regen vor. Avitus, der Bischof von Vienne (um 460-518), verfasste folgende Verse:
„Dort hütet ewigen Frühling des Himmels Milde,
der stürmische Südwind bleibt fern, und am heitern Himmel
schwinden die Wolken;
nicht bedarf es der Regengüsse,
die Gräser begnügen sich mit dem Tau.“
Der römische Autor Silius Italicus (um 26-101 n. Chr.) erwähnte in seiner Schilderung der Witterungsverhältnisse in den Alpen im Epos „Punica“ über den 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.) die Unterwelt:
„Alles, von ewigem Frost bedeckt und eisgrauem Hagel,
hält zusammen das dauernde Eis. Des steilen Gebirges
luftiges Antlitz starrt, und dem Aufgang der Sonne entgegen
kann doch der dauernde Reif in den Strahlen nimmermehr schmelzen.
Wie weit vom Tartaruszugang zum Reich der Schatten, vom Wasser
höllischen Sumpfes und den Seelen in unterster Tiefe
reicht der Abstand zur Oberwelt, so weit hebt in die Luft sich
hoch die Erde hier und deckt den Himmel mit Schatten.
Nie ist Frühling dort und keine Wonne des Sommers,
greulicher Winter nur herrscht auf den wilden Höhen und hält dort
seinen dauernden Wohnsitz. Von überall finstere Wolken
führt er herbei und mit Hagel gemischte Unwetterschauer.
Hier in den Alpen errichteten alle Winde und Stürme
sich ihr brausendes Reich. Verdunkelt durch ragende Felsen
ist der Blick, und die Berge verlieren sich hoch in den Wolken.“
Im Mittelalter stellte Dante Alighieri (1265-1321) die Hölle als Ort mit schlechtem Wetter dar:
„Ich bin am dritten Kreise, dem des Regens,
des ew’gen, maledeiten, kalten, schweren,
bei dem sich Art und Weise niemals ändert.
Grobkörn’ger Hagel, schwarze Flut und Schnee
Stürzt aus der schattendichten Luft herab.“
Eine negative Bewertung des Regens ist im Land Salzburg seit Hunderten von Jahren verbreitet, wie zahlreiche Dokumente verschiedenster Art zeigen, die hier in chronologischer Folge angeführt werden. In Inschriften, Annalen und Chroniken, Reiseberichte und Tagebüchern, Memoiren und Briefen, Romanen und Gedichten, auf Jux-Ansichtskarten und in Liedtexten und Musikstücken finden sich Hinweise auf den Regen in Salzburg. In mittelalterlichen Quellen ist der Regen nur als Ursache von Überschwemmungskatastrophen nachgewiesen. Seit der frühen Neuzeit gibt es aber auch Quellen von Besuchern und Bewohnern, die den Regen zwar nicht als Katastrophe, aber als Ärgernis ansahen.
So gibt es Berichte über die Auswirkungen des Regens auf den Staatsbesuch Kaiser Leopolds I. im Jahr 1665 und auf eine private Freilichttheateraufführung von Max Reinhardt im Jahr 1931, Erzählungen über die unangenehmen Erlebnisse prominenter Besucher wie Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1830 und Nikolaus Lenau im Jahr 1844 und Notizen von berühmten Bewohnern Salzburgs wie Wolfgang Amadeus Mozart und Peter Handke.
Die segensreiche Wirkung des Regens für die Fruchtbarkeit des Landes wurde nur selten in schriftlichen Zeugnissen zum Ausdruck gebracht. Eine positive Bewertung des Regens findet sich in einigen Gedichten und Liedtexten. In der Zwischenzeit hat sich sogar herausgestellt, dass der Regen nicht nur Touristen von einem Aufenthalt in Salzburg abhält oder aus Salzburg vertreibt, sondern auch Besucher aus Ländern, in denen Regen eine Seltenheit ist, zum Beispiel im arabischen Raum, anzieht.
Über die Einstellung der Bewohner und Besucher Salzburgs zum Wetter bemerkte der Salzburger Volkskundler Karl Adrian (1861-1949):
Es ist ja begreiflich, daß jeder Fremde, der nach Salzburg kommt, voraussetzt, schönes Wetter anzutreffen; ist er dann enttäuscht, so ist auch sein Urteil fertig, daß aber zur gleichen Zeit in München, Reichenhall, im ganzen Salzkammergut Regenwetter herrscht, davon spricht man natürlich nicht. […]
Daß der Städter sich für den Sonntag ein schönes Ausflugswetter wünscht, ist wohl einzusehen, denn, wenn er die Woche hindurch im düsteren Geschäftslokal oder in der sonnenlosen Kanzlei arbeitet, sehnt er sich nach Luft und Sonnenschein. Anders ist der Bauer eingestellt. Auch er verwünscht den lang andauernden Regen zur Zeit der Heu- oder Getreideernte, für ihn ist aber oft der Regen gutes Wetter.
Aus dem Buch „Regen in Salzburg – Salzburg im Regen“ von Peter Danner, erschienen in der Edition Tandem, 200 Seiten,19,80 Euro. – www.edition-tandem.at
Mit freundlicher Genehmigung des Verlags
Ein äußerst passender Ort für die Buchpräsentation am Samstag (19.11.) um10 Uhr: die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Freisaalweg 1 (Zugang über Parkplatz Akademiestraße)