Die Heiligen tanzen Tango
MATTSEER DIABELLISOMMER / FESTLICHES FINALE
22/09/15 Sogar die Heiligen-Statuen schienen zu swingen am Hochaltar der Stiftskirche Mattsee. Glanzvoll, wie die „Festliche Eröffnung“ ging das „Festliche Finale“ in Mattsee über die „Bühne“. Benjamin Schmid spielte die Uraufführungen zweier Werke, die von den Komponisten für den Klassik-Star und Jazz-Geiger maßgeschneidert worden sind.
Von Heidemarie Klabacher
Eröffnet wurde der letzte Konzertabend beim Mattseer DiabelliSommer zunächst ganz „klassisch“ mit Bach: Benjamin Herzl war der Solist in Johann Sebastian Bachs Violinkonzert E-Dur BWV 1042. Der junge Geiger betörte quasi vom ersten Bogenstrich an mit seinem ebenso kraftvollen wie reich timbrierten Ton, den er, glasklar in der Intonation, bei aller Strahlkraft beinah viola-samtig zu grundieren weiß. In Erinnerung bleiben die immer wieder klangvoll aufblühende, scheinbar so schlichtee melodische Kantilene des Adagio und die Funkens sprühende Energie, mit der Benjamin Herzl sich und die „Salzburg Strings“ in das Allegro assai stürzte.
Die junge Orchestertruppe – Salzburg Strings – hat in allen Stücken aller Epochen transparent, federnd und klangvoll mit den Solisten interagiert.
Benjamin Schmid, einer der Lehrer des 1994 in Salzburg geborenen Geigers, spielte im Ensemble mit. „The Benjamins“, wie sich die beiden Künstler bei gemeinsamen Auftritten nennen, tauschten für das zweite Werk ganz einfach Platz miteinander. Benjamin Herzl trat ins Glied, und Benjamin Schmid trat vor als Solist und spielte ein mitreißendes Werk, das der 1991 geborene Florian Willeitner - auch er ein Geiger und Schmid-Schüler - für seinen Lehrer geschrieben hat. „Valentina’s Air und Ben’s Jig“ für Violine und Streicher wurde beim heurigen Neujahrskonzert von der Bläserphilharmonie der Universität Mozarteum in der Bläserfassung aus der Taufe gehoben. Zum Abschluss des DiabelliSommers kam am Freitag (18.9.) die Streicherfassung zur Uraufführung, ein reiz- und effektvolles Stück für einen Virtuosen, das ohne platte Folkloristik mit Harmonik, Melodik und Rhythmik irischer Folkssongs und Tänze spielt. Im mitreißend stampfenden Tanzteil schienen sogar die Heiligen-Statuen am Hochaltar ein wenig ins Swingen zu kommen.
Dem Jazzer Benjamin Schmid in die Finger schrieb der Komponist Herbert/Herb Berger seine „Metropole’s Suite for violin and strings“, die ebenfalls in Mattsee uraufgeführt worden ist. Die große von Benjamin Schmid klangvoll ausgespielte Melodie über einer pulsierenden ostinaten Bassfigur im ersten Satz „Insomnia“ erinnerte entfernt an „Summertime“. Als träumerischer Tango, aus einer harmonisch schillernden Einleitung sich herausentwickelnd, ist der zweite Satz „El largo Adios“ das Herzstück der Suite. In allen Sätzen, also auch im schwungvollen „Á la minute“ und im pulsierenden „Avenida“ hat der Komponist dem Solisten Raum zur freien Improvisation gelassen.
Wohl eine Kuriosität und ein kostbares Stück Kammermusik zugleich ist das „Gran Duo Concertante“ für Violine, Kontrabass und Orchester von Giovanni Bottesini aus dem Jahr 1880. Der einst namhafte Kontrabass-Virtuose und Komponist, auch zahlreicher Opern, hat übrigens die Uraufführung von Verdis „Aida“ dirigiert, schreibt der unermüdliche Mattsee-Intendant Gottfried Franz Kasparek im Almanach.
Kontrabass-Solistin in dieser Rarität war Christine Hoock, die alle Facetten und Klangfarben ihres Instrumentes mit Virtuosität, Verve und musikalischem Witz zu Gehör brachte: Wann hört man schon einen Kontrabass als Soloinstrument – und schon gar auf solchem Niveau! In Bottesinis „Gran Duo Concertante“ ist quasi aus jeder Etappe der Musikgeschichte ein Häppchen vorhanden, vom barocken Festmarsch, über liedhafte Walzerseligkeit und Paganini’scher Kapriziösität bis zur schier filmmusikartigen Stimmungsmalerei. Es braucht schon zwei Virtuosen, um das als Zuhörer auszuhalten. Benjamin Schmid und Christine Hoock haben die vielfältigen Motive einander zugespielt, als wären es allesamt duftige Feder- oder knackige Tennisbällchen – mit den Heiligen am Hochaltar als Linienrichter.