Großauflauf der Jederleute
FEUILLETON / JEDERMANN RUNDUM
18/07/19 Keine Karten ergattert für den Jedermann vor dem Dom, nicht einmal für die Benefiz-Generalprobe morgen Freitag (18.7.)? Eigentlich überhaupt kein Problem. Von der Festung Hohensalzburg bis Mondsee, von Mattsee bis Rauris gibt es Alternativen in Menge.
Von Reinhard Kriechbaum
Schon klar, Tobias Moretti - dieser Tage sechzig geworden und damit eigentlich auch schon eher überreif als reicher Prasser in der Midlife crisis – gibt’s ausschließlich auf dem Domplatz. Aber warum nicht ins nahe Mondsee fahren, wo man auf der Freilichtbühne gleich rechts hinter dem Park neben der Basilika auch gute Chancen hat, sich zur Abendstunde einwascheln zu lassen. Nur „im äußersten Notfall“ weiche man in den Saal im Schloss Mondsee aus, versichert man auf der Website. Premiere des Mondseer Jedermann war schon vergangenen Samstag.
Die Spielgemeinschaft dort kann den Anspruch auf eine Textfassung erheben, die sogar der „Erfinder“ der Festspiel-Jedermann, der Regisseur Max Reinhardt, gut geheißen hat: „Es ist kaum zu glauben, dass es unweit von Salzburg noch einen weiteren so guten Jedermann gibt, … dies ist ein glückliches Theater!“, so zitiert man Max Reinhardt, der den Mondseer Jedermann 1933 begutachtete. Da stand der Mondseer Jedermann schon im elften Jahr, denn die erste Aufführung dort fand schon 1922 statt, zwei Jahre nach dem ersten Salzburger Jedermann. Spielpausen gab es nur während des Zweiten Weltkriegs und in den 1970er Jahren. Seit 1981 spielt man wieder jedes Jahr. Die Spielgemeinschaft in Mondsee besteht aus rund 110 Mitgliedern. Hugo von Hofmannsthal hat die Mondseer Version übrigens genehmigt.
Über die Aufführungen in Faistenau, die alle drei Jahre stattfinden, haben wir an dieser Stelle erst dieser Tage berichtet. Auch dort legen sich gut hundert Einheimische für den Jedermann ins Zeug, und man darf sich auch dort quasi auf die Approbierung durch Hofmannsthal und Reinhardt berufen: Man spielt auch in Faistenau jene Textfassung, die Franz Löser ursprünglich für Mondsee geschaffen hat. Die diesjährige Aufführungsserie ist schon in Gange.
Für eine recht charismatische Version vom Ende des reichen Prassers muss man ins Innergebirg fahren: Der Rauriser Goldberg-Jedermann versetzt die Handlung nämlich in jene Zeit, da man dort nach Edelmetall schürfte. Auch in Rausis bildet die Mundart-Version von Franz Löser die Basis, sie wurde von Robert Reiter bearbeitet. Der Text spiegelt die Bauern- und Bürgerkultur und nimmt jetzt also auf die Rauriser Goldbergbauzeit Bezug. Selten wird dieser Jedermann gespielt, das erste Mal 1953, dann 1961 und zuletzt 1974. Heuer ist es wieder so weit, auf dem Rauriser Marktplatz, dessen historische Bauten auf die „Goldgräber-Epoche“ verweisen. „Der Umstand, dass die allegorischen Figuren weitgehend in Originalsprache belassen und die natürlichen Figuren in Pinzgauer Dialekt gesprochen werden, verleihe dem Spiel seine Eigentümlichkeit“, heißt es.
Viel erzählen von Jedermann-Aufführungen kann der Leiter der Freien Bühne Salzburg, Helmut Vitzthum. Heuer stehen im August an verschiedenen Wochentagen elf Aufführungen in Mattsee auf dem Programm, wenn nicht auf der Freiluftbühne am Schlossberg, dann im Diabellisaal (Schloss Mattsee). Die Kostüme hat man im Salzburger Landestheater ausgeborgt. Helmut Vitzthum hat viel Jedermann-Erfahrung, denn man spielte im letzten Dezennium ja nicht nur gelegentlich im Gwandhaus Gössl und in Berchtesgaden. Als Buhlschaft war ab 2013 für drei Jahre lang die Schauspielerin Christine Neubauer – im Bild mit Schlange! – mit von der Partie, und da ging man öfters auf Reisen, spielte unter anderem im Brunnenhof der Münchner Residenz und vor dem Dom in Xanten (nahe Düsseldorf).
„Eine Inszenierung ganz im Geiste der Renaissance, wo an Stelle einer lebensfeindlichen, allgegenwärtigen Macht der Kirche wieder Lebenslust und die Entfaltung des Individuums in den Vordergrund rückte“, so beschreibt Helmut Vitzthum die Version, die man bei den Schlossbergspielen in Mattsee zeigt.
Und wer einem Jedermann partout nicht weit nachfahren will, auch nicht in die Umgebung der Landeshauptstadt, der kann ihn auch auf Ultrakurzstrecke erreichen, mit der Festungsbahn: Die „Kulturbühne Jedermann“ lädt zwischen 21. Juli und 11. August sieben Mal in den Festungshof.Auch der Festungs-Jedermann, es gibt ihn seit 1999, war von 2013 bis 2016 Sache der Freien Bühne Salzburg. Nun ist dort ein anderes Ensemble in der Regie von Dominik Nießl.
Gelegentlich hat sich die Theatergruppe St. Veit im Pongau des Stücks angenommen, zuletzt 2015. Heuer aber spielt man dort sommersüber „Die Nibelungen“.
Und posthum sollte man noch an einen Jedermann-Eigenbrötler der besonderen Art erinnern: Der 2012 verstorbene Salzburger Peter Willy Willmann war von Brotberuf Finanzbeamter. Auf österreichischen und bayerischen Freilichtbühnen hat er die Titelrolle mehr als vierhundert Mal gespielt und für seine Aufführungen die historischen Kostüme der Salzburger Festspielinszenierung von 1959 verwendet, hierzulande erst in Grödig, später im Mayr-Melnhof’schen Gutshof von Glanegg und zuletzt beim Neuhauserhof in St. Michael im Lungau.