Mozart kann nur staunen
NEUJAHRSKONZERT / PAUSENFILM
22/12/15 Die Würfel fallen gleich in der ersten Szene: 2, 0, 1 und 6 zeigen sie. Gewürfelt hat Mozart, der leidenschaftliche Spieler. Mit einem Binokel, das sich als eine Zeit- und Beam-Maschine entpuppt, macht er sich auf Erkundungstour durchs heutige Salzburg...
Von Reinhard Kriechbaum
Klingt sehr nach Klischee? Klar doch, was sollte man auch liefern in der Pause vom Neujahrskonzert, als das, was Menschen nun mal als Erstes verbinden mit der Stadt: Mozart. „Sound of Music“ bleibt ganz draußen. Die Filmemacher Ernst Grandits (Regie) und Georg Riha (Kamera, Produktion) gehen durchaus kreativ um mit den Erwartungen des Publikums und mit jenen der Touristiker, die den Film ja ganz wesentlich mitfinanziert haben.
Georg Rihas wunderbare Zeitraffer-Aufnahmen geben auch in Salzburg viel her – egal, ob es die Touristenmassen in der Getreidegasse sind, die Festspielauffahrt oder das Stadtpanorama als Ganzes. Vieles ist mit einem gewissen Understatement hinein geschnitten (etwa die Mönche von St. Peter im Kreuzgang und die Bergputzer). Und manch Vertrautes besticht einfach durch die Blickwinkel: Die drei Klarinettenspieler hinter den Fontänen der Wasserspiele, das ist Kitsch, so hinterlistig betörend, dass man sich dafür schon gar nicht mehr zu schämen braucht.
Der emsige Stadt-Spaziergänger Mozart sieht sich ausgiebig mit Touristen aus dem fernen Osten konfrontiert und macht auch gleich selbst ein Selfie. Als Rokoko-Mensch hat man durchaus Sinn für solche Spielereien. In der Lobby vom Hotel Sacher findet er einen Wiwsch-Bildschirm – und schon geht’s filmisch hinein ins Bundesland.
Die Themen sind fein (und auch mit Ironie) zusammengefasst. Schnitte von den Wasserspielen ins Seenland, weiter zu den Krimmler Wasserfällen und zuletzt zum Residenzplatz-Brunnen aus Vogelperspektive. Hubschrauberpilot für Georg Riha müsste man sein! Der Sebastiansfriedhof von oben hat auch was.
Mozart promeniert durch ein Durchhaus und findet in einer Auslage ein Wintersportbild, schon geht’s auf die Skipiste. Und en passant kommt er bei einem Antiquitätenhändler mit alten Graphiken vorbei. Das ist der Punkt, wo kurz der eigentliche Anlass zum Film – das 200-Jahre-Jubiläum Salzburgs als österreichisches Bundesland – gestreift wird. Das passiert aus gutem Grund ultra-rasch, weil wen von den 50 Millionen Zuschauern sollte das schon interessieren? Wie immer beim Neujahrskonzert-Pausenfilm ist alles ohne Worte. Übers Synchronisieren braucht man nicht nachzudenken.
Es ist – und das ist eigentlich das Entscheidende – ein Musikfilm geworden. Ganze Musikstücke (etwa der Eröffnungssatz vom Klarinettenquintett) sind zu hören, nicht bloß Schnipsel. Mehrere Ensembles der Wiener Philharmoniker präsentieren sich. Die sind ja die eigentlichen Auftraggeber und Vermarkter des Films, sie bringen sich logischerweise gut ein.
Vier Cellisten sind im Sommer vor dem Festspielhaus aufgenommen worden. Das war gewiss eine Attraktion für die Festspielbesucher. Auch da schaut Mozart vorbei und wundert sich wohl über diese Version mit „Zauberflöten“-Melodien.
Mozart ist übrigens ein ganz Böser: Hüpft er doch über das Geländer seines eigenen Denkmals und lässt sich an dessen Sockel nieder. Und dann ist er weg, der genius loci... Als Letztes hören wir „Dies Bildnis ist bezaubernd schön...“ Wer da nicht auf den rechten Salzburg-Geschmack kommt, dem ist wirklich nicht zu helfen.