Nicht ganz vom Brot allein - aber fast
FILMBESPRECHUNG / BROT
12/02/20 Was ich spannend find, sind die kleinen Lebewesen. - Die Enzyme wissen ganz von allein, was sie zu tun haben. - Da ist so viel Chemie drin, damit das Getreide dann keine Schwierigkeiten beim Backen macht. - Nur auf guten Anlagen lassen sich auch gute Erfolge backen. - Es geht ja auch um den Bauch... So schlicht der Titel, so komplex der Inhalt: Dem Brot gilt der neue Dokumentarfilm von Harald Friedl.
Von Heidemarie Klabacher
Mehl. Wasser. Hefe. Salz. Damit funktioniert das Brotbacken im „handwerklichen“ Betrieb. Im „industriellen“ Betrieb würden solche Teige – da viel zu weich – die Maschinen verkleben. Genau an dieser Stelle kommen „Zusatzstoffe“ ins Spiel um das Lebensmittel aller Lebensmittel...
Harald Friedl folgt dem Brot auf mehreren thematischen Ebenen, mit Hilfe von Handwerkern aber auch Industriellen, die ihr Brot auf ihre je eigene Art erzeugen. Dazu kommen Beiträge mit Bauern, die das Getreide dazu liefern, Wissenschaftlern, die sich mit den Schadstoffen im Boden im Brot und damit im Körper des Menschen befassen, und mit jenen, die die „Zusatzstoffe“ liefern, die die goldene Farbe auf die im Supermarkt zum zweiten Mal gebackenen Weckerl zaubern. Aus dieser Sparte wollte allerdings nur nur einer mit einem Filmemacher reden, so Harald Friedl bei der Uraufführung des Streifens (11.2.) in Graz. Dieser Eine ist der Vertreter der Internationalen Puratos Group.
Sie alle also lässt Harald Friedl erzählen, in vielen kleineren, manchmal auch in langen Schnitten miteinander verflochtenen Beiträgen, ohne Kommentar aus dem Off. Der Regisseur gibt allen Protagonisten viel Zeit, ihre jeweiligen Brot-Philosophien zu entwickeln. Zwischen Hans-Jochen Holthausen, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Harry-Brot GmbH in Schenefeld in Deutschland und den Mitgliedern der Bäckers-Familie Öfferl in Gaubitsch im Niederösterreichischen Weinviertel (mit Filiale in Wien) liegen Welten. Gaubitsch und Paris dagegen liegen, das Brot betreffend, einander nicht so fern. Stylischer sind freilich die Franzosen: Christophe Vasseur von der Bäckerei Du Pain et des Idées (die auch im Marco Polo Reiseführer vorkommt, leicht zu finden und durchaus kein „Geheimtipp“), steht vor seinem Rührkessel und sinniert: „In der Industrie kippt man das Mehl hinein, als wäre es Waschmittel...“ Aber so geht das nicht: „Man muss den Teig beobachten, mit ihm respektvoll umgehen. Der Teig ist lebendig.“ Darin sind sich alle übrigens einig.
Seine Kollegin lässt „ihr“ Brot in alten Öfen des Familienbetriebes backen und verkauft es, nach Wunsch scheibenweise, an die Leute im Quartier und exportiert es in alle Welt: Gehandelt wird der Betrieb von Apollonia Poilâne, die es auch schon in die Vogue gebracht hat, als berühmteste Bäckerei Frankreichs. Hollywood-Stars lassen sich von ihr beliefern. Und Salvador Dalí hat sich einst von ihrem Vater Lionel Poilâne Möbelstücke aus Brotteig backen lassen. Es sind also keine unscheinbaren Bio-Pioniere, die Harald Friedl in ihren kleinen Backstuben aufsuchte, sondern hochgehandelte und hippe Brot-Philosophen. Aber das macht ihre Philosophie nicht weniger spannend, ihr Anliegen nicht weniger wichtig: Brot backen zu wollen, das kein leeres Nahrungs- sondern ein gehaltvolles Lebensmittel ist.
Mit dem Zusatzstoffe-Hersteller Puratos, der mit Hilfe seiner „Sauerteig-Bibliothek“ das Brot von Sizilien in der ganzen Welt herstellen lassen könnte, scheint sich das Thema gelegentlich in den Fantasy oder Science Fiction-Bereich zu spannen, aber tatsächlich scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt und was nicht künstlich „hergestellt“ werden kann. Da tut dann der Blick nach Gaubitsch wohl, wo man sich vor zwanzig Jahren, kurz vor der Pleite wegen der Konkurrenz der „backenden“ Supermärkte, darauf besonnen hat, worauf es ankommt: Mehl. Salz. Hefe. Wasser.
Brot - Dokumentarfilm von Harald Friedl - Salzburg-Premiere im Filmkulturzentrum Das Kino ist am Dienstag 18. Februar, anschließend ein Gespräch mit Regisseur Harald Friedl und Christina Bauer (Bäckerin und Bloggerin aus dem Lungau) - www.daskino.at
Der Film, der ab 21. Februar österreichweit im Kino zu sehen ist, läuft auch im Dokumentarfilm-Wettbewerb des Filmfestivals Diagonale, von von 24. bis 29. März in Graz - www.diagonale.at
Bilder: Navigator Film / Österr. Filminstitut
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