Arbeiterlied der Bienen und Genossen
KO FO MI / RESUMEE
30/09/19 Es ist eine keine ganz singuläre, aber doch eine ganz unverwechselbare und längst traditionsreiche Einrichtung, das KoFoMi. Das Komponistinnenforum Mittersill ist offen für alle künstlerischen Disziplinen von der Musik bis zur Bildenden Kunst – und weiter bis zur Wissenschaft. Solidarität war das zentrale Thema.
Von Heidemarie Klabacher
Die Faust erheben gegen Unrecht und Ungerechtigkeit - das hat nur einen Sinn, wenn die Kraft vieler dahinter steckt. Daher konnte diese Faust sich auch nur ballen, wenn tatsächlich viele Menschen solidarisch mitgeholfen haben: Für die interaktive Installation von Oscar Cueto beim KoFoMi 2019 wurde die Muskelkraft der Gäste benötigt, um sie zum Leben zu "erwecken", handelte es sich doch um eine aufblasbare aus roten Plastiksäcken zusammengeklebte Faust, die mithilfe von vier Fahrradpumpen von den Besucherinnen und Besuchern mit Luft befüllt werden konnte.
Welche Rolle spielt die Kunst in unserer seit Jahrhunderten gepflegten „imperialen“ Lebensweise des Konsumierens und Produzierens, einer Lebensweise, die sehr oft mit dem Leid vieler anderer einhergeht: Das war das Spannungsfeld, in dem die Verantstaltungen des 23. KomponistInnenforum Mittersill standen - von den Kurzfilmen des Salzburger Filmemachers Hermann Peseckas über Künstler wie Ernst Jandl, Wolfgang Bauer, Wolfgang Seierl, Dieter oder Jonke, bis zum Abschlusskonzert von El Riad im Innkreis einer Improvisationsband, die sich den Mechanismen des Musikmarktes zu entziehen trachtet.
Eine Besonderheit heuer war die Eröffnung des vom Zukunftskollegium Nationalpark Hohe Tauern initiierten Anton-Webern-Themenwegs: Webern ist ja in Mittersill von einem US-Soldaten aus tragischem Versehen erschossen worden. Die Stationen: WebernUhrWerk von Karlheinz Essl am Stadtplatz, das Graffiti von Bill Drummond unter der Salzachbrücke, das Wohnhaus Anton Weberns 1945 in Mittersill, der Gedenkstein am Mittersiller Sonnberg/Schachernhof, die Anton-Webern-Gasse mit dem Haus, vor dem Anton Webern erschossen wurde, die St. Annakirche, in der Anton Webern nach seinem Tod aufgebahrt war, das Grab Anton Weberns am Mittersiller Friedhof, die Anton-Webern-Büste im Anton-Webern-Park und die Anton-Webern-Stube in der Konditorei Pletzer.
An den neun Stationen, die also eine Biographie Anton Weberns bilden, wurden eigens für den Themenweg komponierte Werke von Peter Ablinger, Marco Döttlinger, Roland Freisitzer, Sylvie Lacroix, Julia Purgina, Gerald Resch, Wolfgang Seierl, Petra Stump und Judit Varga uraufgeführt: „Petra Stump-Linshalm und Heinz-Peter Linshalm mit Klarinetten und Radio hoben diese Stücke virtuos und eindrucksvoll aus der Taufe“, so Wolfgan Seierl, der Gründer und Leiter des KoFoMi.
Im traditionellen Konzert Für Anton Webern wurden die neuen Werke wiederholt, ergänzt durch bereits im Forum entstandene neue Kompositionen des prominenten Saxophonisten und Komponisten Ulrich Krieger (D/USA), der Stimmkünstlerinnen Claudia Pettrichn und Nora Mazu sowie der Komponistin und Flötistin Sylvie Lacroix (A/F).
Ein interkulturellen Dialog in der Moschee Mittersill mit der Künstlerin Natalie Deewan war ein Höhepunkt. Ein Abend mit Claudia Pettrich zum Thema Solidarität und einer mit der Wiener Rapperin Nora Mazu führt zu einer Parkplatz-Besetzung der beiden Künstlerinnen im Stadtzentrum von Mittersill mit Liegestühlen und einem Tisch: „Damit wiesen die beiden darauf hin, dass wir den öffentlichen Raum, der durch konsumistische Labyrinthe immer mehr verstellt wird, wieder erschließen sollten“, sagt Wolfgang Seierl.
Trotz der zahlreicher Einblicke während der kofomi-Woche habe, so Seierl, das Schlusskonzert ein kritischen „polemisch performativ vorgetragenen Text“ auf Probleme in Bildung und Wissenschaft hin gewiesen, die die Gesellschaft entsolidarisieren. „Konsumkritisch war auch der der Beitrag Claudia Pettrichs, die ihre in Mittersill entstandene Fotoserie Saumpfad der notwendigen Übel präsentierte“ - und zwar in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Marco Döttlinger, der in der gleichnamigen Videoarbeit die Fotografien Pettrichs durch elektronisch gefertigte Klangminiaturen ergänzte.
Zum zentralen Motto Solidaritäts komponierte Ulrich Krieger für das KoFoMi „ein historisches Arbeiterlied“ für die Stimmen aller Beteiligten, Hammer und Geräusche. „Im Foyer des BORG summte ein auf einem Tisch installiertes Megaphon vor sich hin. Kranebitters Klang-Installation Ihr Völker dieser Erde basiert auf dem in Mittersill aufgenommenen Summen eines Bienenschwarms. Und nicht nur die Solidarität zwischen Ländern, „Schichten“ und Menschen ist in Gefahr. Die Bienen sind geradezu vom Aussterben bedroht.
Das KomponistInnenforum Mittersill wurde 1996 von Wolfgang Seierl und Christian Heindl als Plattform für Kommunikation und Austausch rund um das aktuelle Musikgeschehen sowie als lebendiges Denkmal für den österreichischen Komponisten Anton Webern gegründet, heute wird es von Wolfgang Seierl (Komponist und bildender Künstler) und Martin Daske (Komponist/Berlin) organisiert und betreut.
www.kofomi.com
Bilder: kofomi