Zwischen Kopf und Bauch
SALZBURGER HOCHSCHULWOCHE
03/08/19 Der Salzburger Politologe Prof. Reinhard Heinisch bei der Salzburger Hochschulwoche über den Populismus: Er sei – gleich ob linker oder rechter Provenienz – eine erfolgreiche, weil agile und anpassungsfähige, jedoch inhaltlich „dünne Ideologie“.
Das Wort Populismus wird ja reichlich diffus gebraucht. Erschöpft es sich in bloßem Aktionismus und einer Mobilisierungsstrategie? Oder steht der Begriff doch für eine eigene Ideologie? Und wie grenzt er sich etwa vom Extremismus ab?
In seinem Vortrag zeichnete Heinisch, Leiter des Fachbereichs Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Salzburg, den Aufstieg populistischer Parteien vor allem seit etwa Mitte der 1990er Jahre nach. Was Heinisch positiv sieht: Zeitgleich mit dem zunehmenden Wahlerfolg dieser Parteien nahm laut Heinisch die Bereitschaft der menschen ab, extremistische Parteien zu wählen. Dieser Unterschied sei von großer Bedeutung, zeichneten sich doch populistische Parteien – anders als extremistische bzw. rechtsextreme Parteien – dadurch aus, dass sie sich im demokratischen Spektrum bewegen und nicht mit offener Gewaltbereitschaft kokettieren.
Weitere Motive populistischer Parteien seien die Infragestellung liberaler Prinzipien, gezielte Provokationen und Tabubrüche, ein aufgeladener Nationalismus und Nativismus (Betonung eines ethnischen, homogenen Volksbegriffs) und die damit einhergehende klare Benennung von Feinden wie etwa der „korrupten Elite“. Dieser Populismus sei nun insofern eine „dünne Ideologie“, als er zwar stets Negativfolien vorweisen könne (wer nicht „dazu“ gehört, wer der Feind ist etc.), bei der Frage konstruktiver Lösungsvorschläge dann jedoch Lösungsansätze anderer Parteien und Richtungen aufgreift.
Ein „Plädoyer für mehr Ambiguität im Journalismus“ hat die deutsche Journalistin und Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal, Claudia Nothelle, gehalten. Die zunehmende Komplexität der Welt erfordere einen Journalismus, der nicht nur vereinfacht und Komplexität herunterbricht, sondern der zugleich erklärt, mehrere Sichtweisen zulässt und im Idealfall anhand konstruktiver Beispiele Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, so Nothelle. Reduktion auf das Wesentliche, Emotionalisierung, Personalisierung, Verständlichkeit in der Sprache etc. seien weiterhin gültige journalistische Kriterien. Das hohe Maß an Komplexität gesellschaftlicher, politischer oder sozialer und auch ökologischer Probleme führe Journalisten und auch mediale Formate, die allein diesen Grundregeln folgen, jedoch immer häufiger an ihre Grenzen. Das bedeute aber nicht, klassische Grundregeln des Journalismus außer Kraft zu setzen, sondern „mehrere Sichtweisen im Blick zu behalten“ und „auch dem Rezipienten mehr zuzumuten“. Ein bewusst "differenzierender Journalismus" böte „Wege aus der Eindeutigkeitsfalle“. Claudia Nothelle mahnt zu Vorsicht vor zu einfachen Deutungsmustern, auch un gerade im Journalismus: „Simple Begründungen sind immer eine Verlockung, aber nicht immer hilfreich."
Populismus, das Servieren vermeintlich einfacher Lösungen – bei der Salzburger Hochschulwoche war ja auch die Frage, wie man Menschen wieder vom Bauchgefühl weg führen könnte und die eigenen Entscheidungsfähigkeiten entwickeln könnte. Dazu der Psychologe Wolfgang Gaissmaier:
Individuelle Einzelfälle und Behauptungen, die sich rasch verbreiten, zählten heute mehr als wissenschaftliche belegte Fakten. Auch würden diese von den Betroffenen falsch interpretiert und führen oft zu falschen Entscheidungen. Besonders soziale Netzwerke verstärkten Fehlwahrnehmung und verhindern eine notwendige Korrektur. Als Beispiel nannte Gaissmaier in seinem Vortrag eine impfkritische Website. Dort würden Fälle beschrieben, die von einem Zusammenhang zwischen Impfen und Folgeerkrankungen ihrer Kinder berichten. Diese Websites erzeugen eine Kausalität, die es – aus wissenschaftlich-empirischer Sicht – nicht gebe.
Gaissmaier spricht sich für eine bessere Vermittlung von Daten und Fakten aus, damit Interessierte wie Betroffene sie besser verstehen. „Wollen wir ein Problem darstellen, müssen wir es sichtbar machen“, ist der Wissenschafter überzeugt. Die Anschläge auf das WTC am 9. September 2001 wirkten sich auch auf die Gewohnheiten vieler aus: Davor hieß es, dass Fliegen sicherer sei als das Autofahren. Aus Angst vor weiteren Anschlägen stiegen infolge viele US-Bürger erneut auf das Auto um. Der zusätzliche Verkehr führte zu mehr Staus und zu Unfällen. Über 1.600 Verkehrstote wurden in den USA zusätzlich registriert. Gaissmaier: „Das war ein Anschlag der Terroristen auf die Köpfe der Menschen.“