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HINTERGRUND / NS-ZEIT / STRASSENNAMEN

04/05/18 Mahnmal Bücherverbrennung enthüllt. „Braune“ Straßenamen im Gespräch… Bevor wir mit einem kräftigen Rechtsruck alle zusammen in eine neue „rechte“ Zukunft hineinschlittern, bemühen sich Wissenschaft und Politik noch rasch um Aufarbeitung der letzten „braunen“ Vergangenheit. - Ein umfassendes international beachtetes wissenschaftliches Projekt gilt den Salzburger Straßennamen.

Von Heidemarie Klabacher

Josef Thorak, Ferdinand Porsche, Hans Sedlmayr oder Karl Heinrich Waggerl... Sie und viele andere bekannte und auch weniger bekannte Personen finden sich in ihren „unterschiedlich stark ausgeprägten Verstrickungen“ auf der Liste „StraßennamengeberInnen der Stadt Salzburg und ihr Verhalten im Nationalsozialismus“. In der Stadt Salzburg gibt es aktuell 1145 Straßen oder Plätze. 566 davon tragen Namen von Einzelpersonen – nur 37 davon sind Frauen. Die Biographien „hinter“ diesen 566 Straßennamen werden seit gut zwei Jahren gründlich erforscht – und gleichzeitig ist nach intensiven Beratungen ein Kriterienkatalog für den Umgang mit möglichen „braunen“ Straßennamen entstanden.

„Die Stadt Salzburg ist sich bewusst, wie bedeutend Straßennamen für die lokale Erinnerungskultur sind. Wir müssen und werden uns der Vergangenheit stellen. Mit dem ‚Salzburger Modell‘ realisieren wir ein im deutschsprachigen Raum viel beachtetes Projekt“, so Vizebürgermeister Bernhard Auinger. „Dabei ist uns ein wissenschaftlich-fundierter, transparenter Umgang mit NS-belasteten Straßennamen besonders wichtig.“

Heute Freitag (4.5.) wurde im Haus der Stadtgeschichte eine erste Liste mit Namen vorgelegt, die eingehend geprüft und danach bewertet würden. „Arbeitsergebnisse werden laufend auf der Homepage der Stadt veröffentlicht. Ob es zu Umbenennungen kommt, wird nach Vorlage des Gesamtberichts des wissenschaftlichen Beirats im Gemeinderat entschieden.“ Davor werde es sicher „keine Umbenennungen auf Zuruf“ geben, so der ressortzuständige Vizebürgermeister über Ziele und Arbeitsgrundlagen des Projekts.

Begleitet wird das Projekt Straßennamen von einem wissenschaftlichen Fachbeirat bestehend aus Ingrid Tröger-Gordon, der Leiterin der Kulturabteilung Stadt Salzburg, Peter Kramml, dem Leiter des Stadtarchivs, Oskar Dohle vom Salzburger Landesarchiv, dem NS-Experten Gert Kerschbaumer und den Historikern Ernst Hanisch, Alexander Pinwinkler, Sabine Veits-Falk und Thomas Weidenholzer.

Das Besondere am „Salzburger Modell“ ist, dass alle Straßen-Namensgeber untersucht werden, nicht nur die „belasteten“. Auf drei Info-Ebenen solle sich die Auseinandersetzung abspielen. Die erste Info-Ebene sei jeweils der Text auf der Erläuterungstafel in der jeweiligen Straße an Ort und Stelle, darauf stehen kurz zusammengefasst Lebensdaten, Beruf und Funktion, allfällige Verdienste, besonders natürlich für Salzburg. Die Texte werden vom Stadtarchiv ausgearbeitet und von einem Fachbeirat für personenbezogene Straßennamen begutachtet, diskutiert und abgestimmt. „Bei NS-verstrickten Personen entscheidet der Fachbeirat, welcher Kategorie von ‚Belastung‘ die Person zugeordnet wird.“ Die Salzburger Erläuterungstafeln werden einheitlich gestaltet werden. Alle Tafeln enthalten auch einen Hinweis auf die Darstellung im Internet.

Auf dieser Ebene ist schon einiges geschehen: 2015 wurden 24 Tafeln in der linken Altstadt, 2016 35 Tafeln in der rechten Altstadt und 2017 bereits 41 Tafeln im Stadtteil Aigen errichtet.

Die zweite Info-Ebne ist die Website der Stadt Salzburg. Diese Texte enthalten Angaben zur Lage und zum Verlauf der Straße, das Benennungsdatum sowie weiterführende Informationen über Namensgeber und Namensgeberinnen, aber auch zu den Orten, Personengruppen, Tieren oder Pflanzen, nach denen die Straße benannt ist.

„Die biografischen Porträts werden laufend überarbeitet und ergänzt. Bei NS-belasteten Namensgebern werden an dieser Stelle die Forschungsergebnisse zur NS-Zeit prägnant zusammengefasst.“ Auch nicht die NS-Zeit berührende „negative Charakteristika“ würden hier thematisiert, etwa Militarismus, Frauenfeindlichkeit, religiöse Intoleranz oder Antisemitismus.

Die dritte Info-Ebene geht in die Tiefe: „Bei Personen, die in das NS-Regime stark involviert waren, wird auf der Homepage des wissenschaftlichen NS-Projekts deren Leben und Wirken mit besonderer Berücksichtigung der NS-Zeit mit Quellen- und Literaturangaben dargestellt.“ Gibt es neue Forschungsergebnisse werden die Texte „umgehend“ aktualisiert.

Zeit wird’s, möchte man meinen. „Die mahnende Erinnerung an die NS-Zeit spielte nach 1945 bei Straßenbenennungen – abgesehen von einer kurzen Phase nach Kriegsende – keine Rolle.“ Bis in die 1980er Jahre sei es unhinterfragte Praxis gewesen, „Straßen auch nach NS-belasteten Personen zu benennen“. Auch habe das Bewusstsein gefehlt, für einen Namensvorschlag „den gesamten Lebenslauf zu berücksichtigen“. Erst die Öffnung der Archive und wissenschaftliche Forschungen der letzten Jahre hätten es ermöglicht, „das oft bewusst verschwiegene oder geschönte Handeln der Menschen im Nationalsozialismus umfassender zu rekonstruieren“, sagte Peter Kramml, der Leiter des Stadtarchivs: „Die Stadt Salzburg hat ihre NS-Vergangenheit in den letzten zehn Jahren umfassend aufgearbeitet. Das Projekt wird österreichweit viel beachtet.“

„Belastete“ Straßen-Namensgeber werden in drei Kategorien geteilt.
Kategorie 1: „Das Ausmaß der NS-Verstrickung ist im Verhältnis zur Gesamtbiografie nicht derart gravierend, dass diese im Kurztext der Erläuterungstafel angeführt, sondern nur auf der Website der Stadt Salzburg im Eintrag im digitalen Stadtplan (www.stadt-salzburg.at/strassennamen) und im Fall von wissenschaftlichen Neuerkenntnissen zur Person in der NS-Zeit auf der NS-Homepage thematisiert wird.“

Kategorie 2: „Die NS-Belastung wird auf der Erläuterungstafel angeführt, auf der Website der Stadt Salzburg im Eintrag im digitalen Stadtplan (www.stadt-salzburg.at/strassennamen) ausführlich erläutert und auf der Website des NS-Projekts der Stadt Salzburg (www.stadt-salzburg.at/ns-projekt) wissenschaftlich fundiert dargestellt.“

Kategorie 3: „Aufgrund der gravierenden NS-Verstrickung besteht Diskussionsbedarf für die politischen Entscheidungsträger, ob mit einer Erläuterungstafel das Auslangen gefunden wird oder eine Umbenennung in Erwägung gezogen werden soll. Unabhängig davon wird die NS-Belastung auf einer Erläuterungstafel, im digitalen Stadtplan und auf der NS-Homepage ausgeführt.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gründlich: „Zweihundert Personen, nach denen in der Stadt Salzburg Straßen und Plätze benannt sind, haben in der NS-Zeit gelebt. 37 davon sind zwischen 13.März 1938 und 8. Mai 1945 (also während des Krieges, Anm.) verstorben. 46 Personen waren nachweislich Mitglieder der NSDAP, bei 37 davon konnten Mitgliedsnummer und Beitrittsdatum eruiert werden. Drei Personen waren Parteianwärter. 15 Personen waren keine Parteimitglieder, ihre (unterschiedlich stark ausgeprägten) Verstrickungen in das NS-System sind jedoch bekannt.“

Zur Liste "StraßennamengeberInnen der Stadt Salzburg und ihr Verhalten im Nationalsozialismus" - www.stadt-salzburg.at
Bilder: dpk-krie

 

 

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