Die Welt vom Wohlstandsmüll entrümpeln
TAURISKA / LEOPOLD-KOHR-PREIS
06/10/16 Der Verein Tauriska feierte am Mittwoch (5.10.) in der Aula der Universitätsbibliothek Salzburg sein dreißigjähriges Bestehen, der deutsche Volkswirt und Wachstumskritiker Niko Paech nahm den diesjährigen Leopold-Kohr-Preis entgegen.
Niko Paech ist ein Verfechter der „Postwachstumsökonomie“ – eines Wirtschaftssystems also, das nicht auf Wachstum, sondern auf einen Wandel des Lebensstils, der Versorgung und Produktion setzt. Erwartungsgemäß rief er in seiner Rede zum aktiven Verzicht auf: Die Welt müsse vom „Wohlstandsmüll entrümpelt“ werden. Eine radikale Reduzierung materieller Ansprüche wäre kein Mangel, sondern ein Gewinn. Es würde deutlich weniger Ressourcen verbraucht, unser Leben wäre wäre insgesamt stabiler und ökologisch verträglicher. Eine solche Wohlstandsmüll-Entrümpelung würde zudem viele Menschen entlasten, denen „im Hamsterrad der materiellen Selbstversorgung schon ganz schwindlig wird“.
Genau wie einst der aus Salzburg stammende Philosoph Kohr müsse man stets fragen: „Was ist das Menschendienliche?“, meine der Preisträger. Er ist seit kurzem Lehrbeauftragter an der Universität Siegen, zuvor hatte er den Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Universität Oldenburg. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis hat der international erfolgreiche Holzbau-Unternehmer Erwin Thoma aus Goldegg gestiftet. Er sei einst von Kohr geistig inspiriert worden, seinen eigenen, nachhaltigen Weg zu gehen, betonte der Erfinder der Vollholz-Bauweise „Holz100“.
Die Laudatio auf den Preisträger hielt der Berliner Van Bo Le-Mentzel, der sich durch seinen Einfallsreichtum in Sachen „erzwungener“ Selbstbegrenzung einen Namen gemacht hat: Der Architekt hat „Hartz IV-Möbel“ zum Selberbauen entworfen und eine „Hundert-Euro-Mietwohnung“ konstruiert. Niko Paechs Konsequenz, sein Denken auch selbst zu leben, sich zum Beispiel nicht von den digitalen Medien vereinnahmen zu lassen, mache Mut, so Le-Mentzel.
Rund hundert Gäste waren zur Preisverleihung und 30-Jahre-Jubiläumsfeier des Vereinst Tauriska sowie der Leopold Kohr-Akademie in Neukirchen am Großvenediger gefeiert. Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn beglückwünschte Alfred Winter – den einstigen „kompetenten Geburtshelfer“ von Tauriska und Kohr-„Wiederentdecker“ – sowie Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter für ihre „qualitätsvolle und gesellschaftspolitisch relevante Kulturarbeit“. Die Vötters hätten die „besondere Gabe“, Menschen in ihrem Tun zu bestärken und bewiesen Einfallsreichtum, Kommunikationsfähigkeit und Hartnäckigkeit.
Es sei eine große Ehre, den Nachlass Leopold Kohrs an der Universität verwalten zu dürfen, betonte Rektor Heinrich Schmidinger. Das Gedankengut dieses „Mahners“ sei bei der heutigen globalen Entwicklung wichtiger denn je.
Den Leopold-Kohr-Preis für soziale, kulturelle und ökonomische Projekte hat Wissenschaftsminister Johannes Hahn anlässlich des 100. Geburtstages des Philosophen Kohr (1909-1994) ins Leben gerufen. Die Auszeichnung wird für soziale, kulturelle und ökonomische Projekte verliehen, in denen die Philosophie Kohrs erkennbar ist. 2010 ist sie als erstes an Friedensforscher Dieter Senghaas verliehen worden. 2013 ging der Kohr-Preis an Claus Biegert für sein Lebenswerk gegen die Folgen der Anwendung nuklearer Technik. (Tauriska/Walter Schweinöster)