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Schon etwas Zivilcourage täte reichen...

DOKUMENTATION / TAG DES GEDENKENS / WOLF-WICHA

29/01/16 „Wir haben wochenlang zugesehen, dass Menschen auf der Flucht durchgewinkt wurden, nachdem sie von viel geschmähten Gutmenschen wenigstens Kleidung, Nahrung und auch ein Lächeln bekommen haben. Damit haben wir das ‚Problem’ los. Die Bahnhofsgarage ist wieder frei für unsere Wohlstands-Autos.“

Von Heidemarie Klabacher

Die Widerständigen – die Gutmenschen von einst - würdigen. Ihren Einsatz und ihre Opfer anerkennen. Auch offiziell. Spät aber doch. Egal, ob es sich um Roma und Sinti, Deserteure oder Frauen gehandelt hat: Das könnte uns heute helfen, Zivilcourage zu stärken.

Das ist die Quintessenz der Rede von Barbara Wolf-Wicha, gehalten am Mittwoch 27. Jänner, dem „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust und des Nationalsozialismus“ beim Antifa-Mahnmal auf dem Salzburger Hauptbahnhof.

Heute eine Drehscheibe in die Welt. In der NS-Zeit eine Drehscheibe in den Tod: „Noch vor dem Anschluss im März 1938 – aber bei deutlichen Warnsignalen – war dieser Bahnhof ein Ort, von dem aus viele hofften, irgendwo anders ein sicheres Leben führen zu können“, sagte die Politikwissenschafterin. Man kenne „die von der Propaganda verbreiteten Bilder einer hysterischen Begeisterung über den ‚Anschluss’ - auch aus Salzburg, nicht so sehr aus Hallein und Bischofshofen. Von denen, die verzweifelt daheim saßen, gibt es aber keine Bilder, aber dennoch gab es sie.“

Vielleicht werden wir Heutigen einmal von unseren Kindern oder Schülerinnen und Schülern gefragt, „ob wir aus der Geschichte nichts gelernt haben“, mutmaßt Barbara Wolf-Wicha: „Denn manche von diesen Bildern kann man wie eine Folie über die jüngsten Ereignisse rund um diesen Bahnhof heute legen“, so Barbara Wicha-Wolf.

„Wir schauen im Fernsehen zu, wenn Menschen auf der Flucht sind, wissen, dass sich Schlepper an ihnen bereichern, ohne dass die Flüchtenden eine Garantie haben, je ans ‚Ufer’ oder nach Europa zu kommen. Wir sehen und hören zu, dass die wohletablierten europäischen Staaten ihre ‚nationalen Lösungen’ ausgepackt haben. Sie konkurrieren im Unattraktiv-Machen, erfinden Obergrenzen und Richtwerte, bauen Mauern und Zäune, pfeifen auf die Freizügigkeit und begraben vor unseren Augen gerade das Friedensprojekt Europa.“

Das Schlimmste an der heutigen Situation sei für sie, so die Politik- und Sozialwissenschafterin: „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind nicht irgendwo am rechten Rand bei FPÖ, AfD oder PEGIDA, sondern sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Widerstand zu leisten im Nationalsozialismus, war für viele tödlich – in der Gegenwart würde schon etwas Zivilcourage reichen.“

Barbara Wolf-Wicha würdigte in ihrer Rede den kommunistischen und nicht-kommunistischen Widerstand nach 1945, nach dem die öffentliche Betonung des Widerstands lange marginalisiert worden war. „Manche von Ihnen“, so Wicha vor dem Antifa-Mahnmal auf dem Salzburger Hauptbahnhof, „werden sich daran erinnern, dass in Rundfunksendungen stets darauf verwiesen wurde, dass einzelne der widerständigen Frauen in Salzburg natürlich zuerst der verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei oder den Revolutionären Sozialisten angehörten und erst dann ins kommunistische Lager gewechselt haben.“ Besonders hob die Politikwissenschaftlerin das Beispiel der Halleiner Widerstandskämpferin Agnes Primocic hervor. „Es hat auch mit dem beharrlichen Antikommunismus zu tun, dass ihr erst im Jahr 2000 - ein Jahr nach dem sicher bedeutenden Slalom-Olympiasieger Thomas Stangassinger – in Hallein die Ehrenbürgerschaft zuteil wurde.“

Die österreichischen aktiven Widerstands-Aktivistinnen und -Aktivisten während der NS-Zeit seien aus den verschiedenen gesellschaftlichen und sozialen Gruppen hervorgegangen: „Unter ihnen waren ArbeiterInnen, Eisenbahner, Klosterschwestern, Bäuerinnen und Bauern, Roma und Sinti, Intellektuelle und Soldaten, Studierende und Geistliche – Menschen aller Berufs- und Altersgruppen, Jüdinnen und Juden und Christinnen und Christen - Menschen ganz unterschiedlicher politischer Überzeugungen. Viele von ihnen sind bis heute im Dunkel der Geschichte geblieben.“ Allein in Salzburg seien, so gehe es aus den Akten hervor, „etwa 2.000 Menschen von der Gestapo als WiderstandskämpferInnen verfolgt worden, mindestens 79 AktivistInnen aus den kommunistischen und sozialistischen Widerstandsgruppen in Stadt und Land kamen in Konzentrationslagern oder Zuchthäusern zu Tode.“

Frauen haben einen zentralen Platz in der Widerstandsgeschichte eingenommen, „aber das ist viel zu wenig klar und offen Teil unseres Selbstverständnisses geworden“. Anders als die Männer seien viele der widerständigen Frauen ohne Prozess in eines der Konzentrationslager deportiert wurden. „Dabei hätten zumindest alle „Reichsbürger deutschen oder artverwandten Blutes“ – also auch die Frauen - Anspruch auf ein Gerichtsverfahren gehabt.“

Im Gegensatz zu Österreich „wurde in Deutschland die ‚Verordnung über den Umgang mit Kriegsgefangenen’ mit Gesetz am 30.1.1946 förmlich aufgehoben.

Hier zieht Barbara Wolf-Wicha eine Verbindung zur Gegenwart: „Wenn schon Bayern für manche politischen Positionen (Obergrenze bei Flüchtlingen!!) in Österreich so vorbildhaft zu sein scheint, könnte man sich hierzulande daran ein Beispiel nehmen. Allerdings sind hier nach wie vor die Frauen nach dem Opferfürsorgegesetz nicht opferwürdig.“

Wie etwa auch Roma und Sinti „so gut wie keinen erfolgreichen Anspruch erheben“ können.

„Ich bin überzeugt, dass die Wertschätzung des Widerstands gegen ein vergangenes totalitäres System auch ein demokratiepolitisches Zeichen in der Gegenwart setzt (wenn auch spät) – es sollte Indikator sein gegen die Resistenzbereitschaft der Menschen (und der Politik)

gegen jegliche autoritäre Trends in einem demokratischen System und Zeichen demokratischer politischer Kultur.“

Die Rede von Univ.-Prof. Barbara Wolf-Wicha im Wortlaut
Bild: privat

 

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