Heitere Mythologie
KOMMENTAR
Von Reinhard Kriechbaum
06/12/15 Hoffentlich ist Österreich in den nächsten Monaten nicht zu gut zu syrischen Flüchtlingen. Und hoffentlich fällt den Salzburger Festspielen in der näheren Zukunft nicht ein, sich für Migranten aus islamischen Gegenden zu engagieren. Sonst könnte es leicht passieren, dass sie sich für „Die Liebe der Danae“ einen neuen Regisseur suchen müssen.
Dem Hamburger Thalia Theater ist nämlich genau das widerfahren. Ein paar Mails hin und her, und die Sympathie von Alvis Hermanis war verspielt. Nächsten April hätte dort „Russland.Endspiele“ Premiere haben sollen, ein Abend nach Dostojewskij, Tolstoi und Gorki.
Alvis Hermanis wolle nicht mit dem humanitären Engagement des Thalia Theaters für Flüchtlinge in Verbindung gebracht werden, meldete dieser Tage das Thalia Theater. Die „deutsche Begeisterung, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen“, sei extrem gefährlich für ganz Europa, „weil unter ihnen Terroristen“ seien, zitiert man den lettischen Regisseur, der seinerseits kontert, aus „privaten“ Mails, mit aus dem Zusammenhang gerissenen Formulierungen und obendrein unautorisiert zitiert worden zu sein. „Eine gleichzeitige Unterstützung von Terroristen und den Pariser Opfern schließe sich aus. Zwar seien nicht alle Flüchtlinge Terroristen, aber alle Terroristen seien Flüchtlinge oder deren Kinder.“ So zitiert das Thalia Theater Hermanis in der Presseaussendung. In jedem „Krieg“ müsse man sich für eine Seite entscheiden, er und das Thalia Theater stünden auf entgegengesetzten. „Die Zeiten der political correctness seien vorbei.“
Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters, in einer Reaktion: „Wir hätten nie für möglich gehalten, dass humanitäres Engagement für Hilfsbedürftige zur Aufkündigung der Zusammenarbeit führen könnte.“
Das Internet-Theaterforum www.nachtkritik.de hat bei Alvis Hermanis selbst nachgefragt: Da argumentiert der lettische Regisseur, der vor Jahren bei den Salzburger Festspielen den Young Directors Award bekommen und damit seine internationale Karriere startete, mit seiner Erfahrung als derzeit in Paris lebender Vater von sieben Kindern. Er erlebe Paris eben in jenem Arondissement, wo die Anschläge passiert seien. Das Alltagsleben fühle sich an „wie in Israel“, es herrsche „permanente Paranoia“. Hermanis erinnert „nebenbei“ daran, dass die 9/11-Attentäter aus Hamburg gekommen seien. Also bloß nicht dorthin. Hermanis im O-Ton: „We know that even German government changed the refugee politics after Paris tragedy. So the price which was paid to finally admit the connection between emigration policy and terrorism - was the death of 132 young people in Paris. Is it still the tabu in Germany to connect emigration policy and terrorism?“
In Salzburg wird Alvis Hermanis ja hoffentlich unirritiert inszenieren können. Wenn die Festspielkünstler voriges Jahr gut aufgepasst haben, dann haben sie anlässlich der „Jedermann“-Causa mit der Internationale gelernt, dass politisches Engagement nicht wohl gelitten ist.
Und Alvis Hermanis muss ja nicht gerade in der alten Autobahnmeisterei in Liefering vorbeischauen und sich recht fürchten. Außerdem: „Die Liebe der Danae“ spielt in einer Zeit, da die Welt ganz in Ordnung und der kleine Grenzverkehr über die Ägäis noch eine "heitere Mythologie" war. Zwar waren die Griechen auch schon bankrott (deshalb muss König Pollux seine Tochter Danae möglichst reich verheiraten). Doch aus Kleinasien kamen damals keine armen Schlucker, schon gar nicht zu Abertausenden, sondern sehr exklusiv der „Goldkönig“ Midas. Solche Besucher ließe man sich auch heutzutage gefallen. Selbst aus islamischen Gegenden.
Die Causa Alvis Hermanis contra Thalia-Theater, der Originalton von Hermanis und der prompt einsetzende Leser-Shitstorm auf www.nachtkritik.de