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O schwere Prüfung

GLOSSE

Von Werner Thuswaldner

11/05/15 Die Briefträger könnten in Florestans Kerkerarie einstimmen und mit ihm klagen: „O schwere Prüfung!“

Sie sind permanent schweren Prüfungen ausgesetzt. Sie müssen jeden Tag ihre Neugier unterdrücken und dürfen auf keinen Fall Briefe öffnen, um zu Mitlesern zu werden. Auch wenn sie ertasten, dass sich in einem Kuvert ein ansehnlicher Barbetrag befindet, müssen sie sich äußerste Zurückhaltung auferlegen. Disziplin ist oberstes Gebot. Von der Versuchung, das Austragen der Post einfach bleiben zu lassen und die lästige Last kurzerhand in einem Container zu entsorgen, soll hier erst gar nicht die Rede sein.

Und nun kommt auf die Briefträger eine weitere moralische Herausforderung zu: Ab sofort werden sie mit Hundekeksen ausgestattet. Damit sollen sie die Vierbeiner, die auf Verteidigung des Heims ihrer Vorgesetzten getrimmt sind, bestechen und friedlich stimmen.

Keine von Hunden gebissenen Briefträger mehr. Das ist von den Post-Oberen vermutlich gut gemeint. Aber handelt es sich im Grunde nicht um eine neue Zumutung für die chronisch unterbezahlten Briefträger? Wie viele von ihnen müssen sich, weil der Rayon so groß ist, schon früh am Morgen auf den Weg machen. Ohne Frühstück! Und wenn der Hunger sich dann meldet? Es fällt einem nur allzu leicht, sich das Dilemma des Briefträgers vorzustellen: Unweigerlich wird er vor die Entscheidung gestellt: Notdürftige Sättigung mit Hilfe von Keksen oder das Risiko, von einem Hund gebissen zu werden.

 

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