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Jedermann kennt kein morgen

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

18/07/21 Die Stimme der Präsidentin selbst ist heuer vom Tonband zu vernehmen. Sie verweist auf das umfängliche Sicherheitskonzept der Salzburger Festspiele. Und sie betont mit klaren Worten, dass es zu alledem auch die tätige Mithilfe des Publikums braucht. Sprich: Bitte Maske aufsetzen!

Was tun die Festspielgäste? In der Jedermann-Premiere am Samstag (17.7.) saß der Schreiber dieser Zeilen etwa in Saalmitte. In der ganzen Reihe links war nicht ein eiziger, der auf die Ansage hin zur Maske gegriffen hätte. Rechter Hand genau acht Sitze weiter ein einsamer Maskenträger. Aber der hatte das Ding schon vorher übergestülpt.

Im Vorjahr haben wir an dieser Stelle dem Festspielpublikum viel Lob gespendet für mustergültiges Verhalten. Das müssen wir nun wohl widerrufen. Der Salzburger Ballermann heißt Hofstallgasse. Das Niveau ist ein anderes, das Verhalten das gleiche hier wie dort. Das geradezu unsägliche, natürlich auch mehrheitlich maskenlose Gedränge im Parterre-Eingangsbereich wäre ganz leicht vermeidbar, wenn alle zügig ihre Plätze aufsuchten. Aber die Szenerie am Samstagabend glich eher einer ausgelassenen Wiedersehensfeier.

Die Festspiele haben das Pech, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz Corona kürzlich zur Privatsache erklärt hat. Jeder ist also seines Glückes und seiner Infektion Schmied. Maskentragen im 3G-Bereich obliegt dem eigenen Ermessen. Und Jedermann kennt eben nicht nur auf der Bühne kein morgen. Was schert den Festspielbesucher von heute, dass sich die Inzidenzzahlen soeben in anderthalb Wochen verdreifacht haben, von sieben auf zweiundzwanzig? Wenn man das hochrechnet, könnten wir Ende Juli bei rund siebzig stehen, und zu Ferragosta auf zweihundert. Im schlimmsten Fall zu Festspielende am 30. August also bei sechshundert?

Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen und festhalten: Für den Leichtsinn von so vielen, vielen im Publikum können die Festspiele nichts. Man darf den Veranstaltern nach dem vorigjährigen finanziellen Krisenjahr nicht einmal wirklich übel nehmen, dass sie nun im Großen Festspielhaus sogar den Orchesterraum bestuhlt haben. Jedermann schafft im Regen-Ausweichquartier also über hundert Prozent Auslastung. Wohl bekomm's!

PS: Im feudalistisch organisierten Staat Österreicher obliegt alles Unangenehme zu Corona den Bundesländern. Es wäre ein legistisches Kinderspiel, für den Festspielbezirk kurzfristig eine Pflicht zum Maskentragen einzuführen. Damit auch die Festspiel-Ballermänner und Ballerfrauen gesund bleiben.

   

 

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