Findet Nemo!
KOMMENTAR
Von Heidemarie Klabacher -
04/02/19 Rolando Villazóns erste Mozartwoche ist vorüber. „Nur Mozart“ lautet die Devise für weitere vier Jahre. Drohung oder Verheißung? Das lässt sich im „Jahr eins nach Villazón“ noch nicht sagen - prägte dieser „sein“ Festival doch vor allem mit unermüdlichem Einsatz, staunenswerter Omni-Präsenz und seinem mitreißenden Charisma. Und der künstlerische Ertrag?
Als Rolando Villazón das Programm der Mozartwoche 2019 präsentiert hat, erstaunte, ja erschreckte die schiere Zahl der Konzerte: 45 Termine. Das waren 17 mehr als im Vorjahr.
Mozart hat gern geknobelt, konnte er auch rechnen? Beginn jedenfalls am Donnerstag (statt wie bisher am Freitag), je ein neues Konzert zur Eröffnung und zum Abschluss der Mozartwoche. Mehrere szenische Produktionen mit jeweils mehreren Terminen: Dreimal das Gastspiel ohne Worte Mozart Preposteroso der Clownin Nola Rae, eines Weltstars ihres Faches. Drei mal Bastien und Bastienne im Marionettentheater. Drei mal T.H.A.M.O.S. in der Felsenreitschule und drei mal Mozart Kabarett in der ARGEkultur. Zu den 45 Terminen zählten auch zwei Vorträge und zweimal „Villazón im Gespräch mit...“ (Ein Künstlergespräch schlug anno 2018 noch nicht in der Gesamtzahl der Termine zu Buche). Bleiben also, ohne Wiederholungen der szenischen Produktionen, ohne reine Wort-Veranstaltungen (und natürlich ohne weitere zahlreiche Veranstaltungen, wie Filmvorführungen, im Rahmenprogramm), grob gerechnet 33 Konzerte übrig. Fünf mehr als 2018. In Wirklichkeit also keine Spur von Expansionswahn.
Gleich elf - ausverkaufte - Aufführungen erlebte das charmante Schattenspiel Mozart's amazing Shadows: Das Gastspiel der amerikanischen Truppe Catapult war eine klug eingegangene Kooperation mit dem hochprofessionell geführten Oval im Europark. So hat man eine völlig neue Zielgruppe angesprochen und sich ganz bewusst der wirklichen Welt und ihren Menschen zugewandt. Dass mit diesem Nannerl-Mäuse-Märchen zur Musik aus der Konserve weder die Geschichte der Familie Mozart noch die der Mozart-Interpretation neu geschrieben werden muss, ist nicht das Thema.
Wo aber wurde in den vergangenen elf Tagen tatsächlich Interpreationsgeschichte geschrieben? Bündig gesagt, im Konzert 19, in der Lied-Matinee von Mauro Peter und Helmut Deutsch. Peters Zugang (für Details bitte die Besprechung Stimmglanz und Gloria lesen) wurde der Mozart'schen Leichtigkeit ebenso gerecht, wie der unter diesen Miniaturen sich plötzlich öffnenden Tiefe.
Die Konzerte? Andras Schiff und seine Capella Andrea Barca stehen seit Jahren für Sternstunden, ein zusätzliches Ereignis heuer der gemeinsame Auftritt Schiff/Bartoli. Die Wiener Philharmoniker spielten etwa am Samstag (2.2.) schön „wie üblich“ - doch offensichtlich ohne sich von Andrés Orozco-Estrada herausgefordert zu fühlen, tiefer als nötig zu graben. Das Experiment und Langzeitprojekt von Mitsuko Uchida mit dem Mahler Chamber Orchestra, Mozarts Klavierkonzerte als Solistin vom Klavier aus zu leiten, verdient Respekt, hat aber Wünsche offen gelassen. Das Mahler Chamber Orchestra jedenfalls ist ein ebenso hochkarätiges und willkommenes Ensemble, wie das Chamber Orchestra of Europe: Solche Engagements sind solide, ohne freilich von besonderer Intendanten-Handschrift zu zeugen. Das gilt auch für die „Alttöner“ bei der Mozartwoche 2019: Mit Il Giardino Armonico, Les Talens Lyriques und Orchestre des Champs-Élysées samt Collegium Vocale Gent waren Hochkaräter ihrer Zunft vertreten. Sie lieferten, was Standard ist. Mit dem Engagement von Mozarteumorchester und Camerata Salzburg sind auch keine dramaturgichen Lorbeeren einzufahren, denn eine Mozartwoche ohne diese beiden ist ohnehin undenkbar.
Vielleicht hätte man das aufwändige T.H.A.M.O.S. Projekt lieber eingespart, die Buchhaltung der Stiftung hätte es vielleicht sogar gedankt: eine mit viel heißer Luft zur Größe eines Heißluftballons aufgeblasene Erbse an künstlerischem Gehalt.
Rolando Villazón hat also die Mozartwoche nicht neu erfunden. Er ist auch nicht der erste und einzige der weiß, dass „Mozart lebt“. Aber er hat der Mozartwoche, ohne sie zu eventisieren, viele feine neue Details verpasst. Dass der gebürtige Mexikaner mit mexikanischen Mariachis, auch wenn diese aus Wien kommen, an Mozarts Geburtstag auf die Straße geht, ist so ein liebenswürdiger Einfall.
Die Liebe zum Detail reicht bis in die - seit jeher grafisch edlen - Publikationen. Einfach nett ist das Daumenkino rechts oben in den Hauptprospekten 2019, wie 2020, einmal entflattert ein Vogel seinem Käfig, einmal blubbert ein Fischlein einen Violinschlüssel. Findet Nemo!