Taugler Auferstehungslied
STICH-WORT
06/04/21 Allzu gerne würden wir an dieser Stelle von jener Auferstehung berichten, die gerade unsere Leserinnen und Leser so sehr herbei sehnen: jene von Kulturveranstaltungen aller Art. Ein Achselzucken, weil „nur“ der liebe Gott auferstanden ist? Das wäre freilich Blasphemie.
Von Reinhard Kriechbaum
Schauen wir uns genauer das Christ ist erstanden an. Die Osterleise gilt als der älteste erhaltene liturgische Gesang in deutscher Sprache. Er entstammt wahrscheinlich dem süddeutsch-österreichischen Kulturkreis und wurde schon um 1100 gesungen. Im Jahre 1160 wird Christ ist erstanden in einer Liturgieordnung des Erzbistums Salzburg erwähnt. Der Codex, den die Universitätsbibliothek Salzburg aufbewahrt, trägt die Nummer MII6.
In der Kirchenprovinz Salzburg wurde am Ostermorgen nach der Visitatio sepulchri, also nach dem Besuch beim (nun leeren) Heiligen Grab gesungen. Wenn der Klerus in den Chor zurückkehrte und die Antiphon Surrexit enim sicut dixit Dominus anstimmte, antwortete das Volk mit dem Christ ist erstanden in seiner Sprache. Das älteste Zeugnis dafür findet sich in Passau schon 1150. Im 13. Jahrhundert war das Lied dann schon weit verbreitert. Seine rituelle Verwendung in verschiedenen Kirchen und Klöstern war unterschiedlich – aber das ist eine Sache, die eher Liturgiewissenschafter interessiert. Das Notenblatt rechts oben ist im Besitz der Ertzabtei St. Peter, es stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Wir machen jetzt einen Riesensprung ins frühe 19. Jahrhundert, bleiben aber in Salzburg. Franz Xaver Gruber hat in der Zeit, da er in Arnsdorf als Schulmeister, Organist und Mesner tätig war, nicht nur das Stille Nacht komponiert, sondern fünf Jahre später (1823) auch ein Stück, das mit dem Ruf Christus ist erstanden beginnt. Dem Anlass entsprechend werden die drei Singstimmen (Sopran, Alt, Bass) von zwei Klarinetten, zwei Trompeten, Pauken, zwei Violinen, Kontrabass und Orgel begleitet. Im Verzeichnis der Werke Grubers, das Thomas Hochradner herausgegeben hat, trägt es die Nummer 134.
So
lche Lieder haben sich manchmal herumgesprochen. Schulmeister, die an einen anderen Ort versetzt wurden, haben Noten mitgekommen und das Vertraute auch am jeweils neuen Wirkungskreis mit den dortigen Kirchensängern einstudiert. So ist wohl auch Franz Xaver Grubers Christus ist erstanden als Taugler Auferstehungslied nach St. Kolomann gekommen, wo es lange Zeit zum Repertoire des Kirchenchors und auch der Musikkapelle zählte. Das erzählt Siegfried Schaber, der in St. Koloman aufgewachsen ist und dem Chor und der Trachtenmusikkapelle angehörte. Er war auch deren Kapellmeister. Stolz zeigt er ein altes handbeschriebenes Notenblatt, die Orgelstimme zum Lied.
Was Grubers Christus ist erstanden anlangt, erzählte man sich in St. Kolomann durchaus glaubwürdig, ein Lehrer habe es mitgebracht. Siegfried Schaber hält es für möglich, dass dies Ludwig Klanner war, der von 1911 bis 1923 in St. Koloman als Schulleiter, Kapellmeister, Organist und Chorleiter, bei der Feuerwehr und der „Ersten Hilfe“ tätig war.
Schaber selbst ist schließlich nach Vigaun gezogen, und deshalb erklingt jetzt das Auferstehungslied immer in der Osternacht oder am Ostersonntag in der dortigen Pfarrkirche. „Wir werden das Taugler Auferstehungslied auch am Weißen Sonntag in der Pfarrkirche Mülln spielen, und zwar im Blasmusikquintett“, berichtet Schaber.
Bilder: Stille-Nacht-Gesellschaft / Michael Neureiter