Lass uns doch einfach Götter machen!
DOMQUARTIER / MENSCHENBILDER GÖTTERWELTEN
29/07/16 Wenn Menschenwürmchen sich ein Bild von Göttern machen – was soll da viel anderes herauskommen als Bilder von Menschen? Vielleicht idealisiert, mächtiger, athletischer, oft temperamentvoller: aber eben Menschen durch und durch.
Von Reinhard Kriechbaum
Wenn Johann Kräftner, Direktor des Liechtenstein Museums (genau: The Princely Collections, Vaduz-Vienna) zu dem einen oder anderen Aspekt dieses Themas ausholt, dann kann man spüren, wie intensiv den Kunsthistoriker dieses menschliche Götterbild – oder eben göttliche Menschenbild – beschäftigt. Letztlich können und wollen wir gar nicht anders, als uns die Götter als eine Art Unsereins vorzustellen. Das haben übrigens die Griechen auch schon nicht anders gekonnt, drum sind in ihren Mythen und auf dem Olymp dauernd Schurkereien und Eifersüchteleien zugange. Aber das nur nebenbei.
Nun machen also tolle Bilder im Museumsquartier, in den Räumen der Residenzgalerie, Station. Und nicht nur dort, denn wer hat der hat! 36 Rubens-Bilder sind in den Liechtenstein-Sammlungen, fünf davon hängen nun in Salzburg. Aber wie zum Drüberstreuen hat man auch Bronzen mitgeschickt, die in den nördlichen Domoratorien optimal präsentiert werden. So beeindruckend die vielen hundert Quadratmeter Ölmalerei nämlich sind: Eines der bronzenen Renaissance-Kunstwerke ist von Andrea Mantegna, andere kommen aus dem Umkreis des Gianbologna. Um diese einzigartigen Stücke herumzugehen, sie von allen Seiten, aus allen möglichen Perspektiven zu betrachten, dazu laden ja die Räumlichkeiten und die großzügige Aufstellung dort besonders ein. Ein prädestinierter Lieblingsort bis Mitte Oktober im DomQuartier!
Man sei mit dieser Ausstellung „dort angekommen, wo man hin wollte“, sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer bei der Pressevorbesichtigung heute Freitag (29.7.). Ja, als Museum in Domquartier-Größe hat man Chance, einen solchen Kooperationspartner, eine solche Schau an Land zu ziehen. Der Direktor des Liechtenstein Museums ließ seinerseits durchblicken, dass es für ihn attraktiv sei, Bilder aus dem Depot zu holen. Dort landet ja durchaus auch der eine oder andere Rubens...
Das soll aber nicht heißen, dass die Salzburger Schau aus Depotkunst bestückt worden sei: Im Gegenteil, es sind Meisterwerke beisammen, so dass man gar nicht recht weiß, wo anfangen mit dem Aufzählen. Cornelis van Harlems' Gemälde „Der heilige Sebastian“ oder die mächtige Bronzestatue desselben Heiligen von Adrian de Fries zeigen uns einen Prachtkerl am Übergang von Renaissance zum Barock. Da fände jeder auf ihn abgeschossene Pfeil ein Muskelpaket, wie es im anatomischen Lehrbuch steht. Ein rechter Athlet eigentlich auch Jesus, der in einem Bild von Rubens beweint wird.
Man könnte durch die Schau gehen und sich einfach betören lassen von den Riesenformaten (das Verhältnis zwischen bemalter Leinwand und nicht extra erhöhtem Eintrittspreis dürfte kaum einmal vorteilhafter für die Besucherinnen und Besucher sein als derzeit). Man kann aber auch nach dem Subtilen suchen, etwa in dem kleinen Bild „Maria mit dem Kind und dem Johannesknaben von Francesco di Cristofano. Nicht jeder Renaissance-Meister, der es verdient hätte, ist dann wirklich prominent geworden.
Es schadet nicht, bibelfest zu sein, aber auch in der antiken Sagenwelt sollte man sich ein bisserl auskennen, um die Geschichten hinter repräsentativen Gemälden zu dechiffrieren (das Katalogbuch leistet natürlich gute Dienste, auch der Audioguide und ein Pocket Guide, den man einfach so mitnehmen kann). Wer hat schon im Hinterkopf, was Mars mit Rhea Silvia angestellt hat? Einen so feurigen Liebhaber, wie Rubens ihn der Römerin schickt, muss man erst finden als junge Dame.
Viel weniger bekannt ist Heinrich Friedrich Füger, der Hauptmeister des Wiener Klassizismus. Nackt und gewaltig steht Prometheus da, um den Menschen zu schaffen, der noch leblos, starr und grau herumhängt – ein Wettstreit quasi zwischen Malerei und Skulptur. Ein treffliches Motiv für Plakat und Katalogbuch. Natürlich hat auch die Residenzgalerie Bilder beigetragen, Rembrandts Alte fehlt nicht und auch nicht Makarts Bild seiner Frau.
Anregend, dass Spitzenkunst von der Renaissance bis ins späte 19. Jahrhundert da ist, nach Motiven und Themenkreisen mit Fingerspitzengefühl gehängt. Übrigens sind all die Schätze nicht nur dem Sammlungseifer der Liechtenstein'schen Fürsten im Barock zu verdanken. Ein Drittel der Werke hat der derzeitige Regent des kleinen Staates angeschafft. Ein sicherer Bankenplatz ist auch für die Kunst ein gutes Ruhekissen.
Der Niederländer Quentin Massys hat in den 1520er Jahren zwei Steuereintreiber porträtiert. Den Typen ist ebenso wenig zu trauen wie heutigen Vertretern dieser Profession. Und man muss vor diesem Gemälde auch dran denken, dass die von den beiden Leuten eingetriebenen Steuern nicht mal in einstelligen Prozentbeträgen der Kulturförderung zugute kamen, die in unserer Epoche solche Ausstellungen erst möglich macht.