Erlesene Landesgeschichte
LANDESAUSSTELLUNG / BISCHOF.KAISER.JEDERMANN
27/04/16 Landeshauptmann Haslauer bei der Presse-Präsentation der Salzburger Landesausstellung zum Jubiläum 20.16: „Das ist kein touristisches Projekt, das gönnen wir uns selbst.“ So ist es wohl tatsächlich. Wenn man die reichhaltigen Inhalte nicht nur oberflächlich, sondern tiefer gehend inhalieren möchte, wird man um eine Jahreskarte fürs Salzburg Museum kaum herumkommen.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Adressaten sind – schon ob der schier unfassbaren Textmenge auf Schrifttafeln und Beschriftungs-Bändern – klar umschrieben. Hier sollen Salzburger sich und ihre (Kultur)Geschichte wiederfinden. Sie können zuerst einmal in den Keller lachen gehen. Dort sind in einer Schatzkammer 39 Objekte beisammen, die Salzburg eingebüßt hat. Das Auge weint vielleicht, aber das Herz lacht alleweil vor dem Münzschatz von St. Peter, allerlei Kunsthandwerk aus beschnitztem Steinbockhorn oder Bergkristall, vor den beiden prachtvollen Szeptern der Benediktineruniversität, vor einigen Handschriften, vor der Rüstung des Wolf Dietrich. Sogar der – doch nicht echt antike – Jüngling vom Magdalensberg hatte ein Salzburger Zwischengeschichte.
Das anzuschauen ist schön und irgendwie befreiend, wenn man erst mal die gefühlte Kilometer-Wegstrecke entlang von Pressspanplatten (ein etwas mühsamer Untergrund für Schrift), vorbei an einer Karikatur und drei Videofilmen, hinter sich hat. Die „Schatzkammer“ selbst bietet eine unprätentiöse, konventionelle Präsentation.
Auffallend an der Schau ist, dass man eigentlich gar nicht auf sachliche Ordnung oder Chronologie, dafür umso mehr auf assoziative Verknüpfung gesetzt hat. Mit Konglomeraten von Pretiosen und sehr verschiedenartigen Objekten versucht man die Betrachter für die Sache zu gewinnen. Das macht es einem nicht wirklich einfach, aber es ist auch ein gutes Gefühl, wenn man nicht unterfordert wird. Oft kranken ja gerade Ausstellungen für Besuchermassen gerade daran, dass sehr simpel und geradlinig erzählt wird.
„Erzähl mir Salzburg!“ heißt der zweite Teil der Schau im ersten Stock des Salzburg Museums. Diese Erzählungen sind keine, auch wenn es mit Märchen und Sagen los geht. Es sind nicht mal Vorlesungen, sondern sehr nachhaltige Aufforderungen zum Selber-Lesen. Wer das nicht will, braucht eigentlich gar nicht erst reingehen. Die Mühe lohnt, denn es war den Gestaltern der Schau ein Anliegen, Geschichtsschreibung nicht als etwas scheinbar Fertiges, Abgeschlossenes zu präsentieren. Es ist immer auch einen Frage des Blickwinkels, der Perspektive und der didaktischen Ziele der jeweiligen „Erzählers“. Sich dieser Herausforderung zu stellen, mag nicht jedermanns Sache sein (vor allem nicht jene eiliger Gäste), aber es lohnt allemal.
In einem Raum läuft ein historischer Dokumentarfilm über den Nazi-Bildhauer Josef Thorak. Der Film wird konfrontiert mit Skulpturen von Wotruba und installativ aufbereitet von dem Gegenwartskünstler Bernhard Gwiggner. Das ist höchst erhellend. Ansprechend auch der kleine Schauraum daneben, der Bertolt Brecht, dessen „Einbürgerung“ und der in einen Skandal mündenden Neu-Verwurzelung bei den Festspielen gewidmet ist. Kurt Palm ist in dieser Sache der große Durchblicker.
A propos Durchblick: Einen solchen hat man zum Thema Salzburger Bücherverbrennung von geschaffen: Man schaut durch einen trichterförmigen Verbau auf den Residenzplatz, wo sie 1938 stattgefunden hat. Jetzt sind dort Türkenzelte aufgebaut. Schließlich steht gerade jetzt, am Wochenende der Ausstellungseröffnung, der City-Marathon bevor. Abwarten, auf was alles man im Lauf der nächsten Monate dort wird schauen müssen.
Gegen Ende ein sehr eigenwilliger Raum: Nein, man hat sich nicht in die Gepäckaufbewahrung auf einem Bahnhof verirrt. Die vielen Dutzend Holzkästchen sind auch nicht zum Versperren da, sondern im Gegenteil. Man soll lesen, was auf dem jeweiligen Türl steht, neugierig werden, es öffnen, drin weiterlesen und entdeckt dann ein Buch zum jeweiligen Thema. Ein Zweitagesprojekt wohl, wenn man's ernstlich anginge. Ganz am Ende noch eine Installation von Lisl Ponger.
Über den dritten Ausstellungsteil stolpert man als erstes, denn er ist in der Säulenhalle, also unmittelbar im Eingangsbereich zur Schau. „Am Schauplatz“ heißt dieser Raum. Was haben die Villa Manin, das Walserfeld, das Schloss Schönbrunn, die Stadt Mühldorf am Inn, das Neutor und ein paar weitere Locations mit der Causa Salzburg zu tun? Da muss man eben nachlesen. Ginge man es mit Akribie an, hätte man gar keine Zeit mehr für die anderen Teile der Schau. Mit Lesetext wurde jedenfalls nicht gegeizt von den Ausstellungsmachern.