Wo versteckt sich das Pferd?
REPORTAGE / DOMQUARTIER / KINDERFÜHRER
26/11/19 Leicht ist die Frage, wie viele Rindviecher zu sehen sind auf dem Genrebild mit Kühen und Hirten von einem alten Niederländer. Kniffliger schon jene nach der Zahl der Tiere überhaupt. Und dann ist noch ein Pferd zu sehen, eher zu erahnen...
Von Reinhard Kriechbaum
Auf den Gaul muss man aber wirklich mit der Nase gestoßen werden, denn der Schöpfer des Bildes (es hängt in der Residenzgalerie) hat ihn übermalt. Im Lauf der Jahrhunderte sind aber die Konturen doch wieder herausgekommen. Darüber lässt sich gut eine Geschichte erzählen, und nebenbei kann man auch zwanglos den Fachbegriff Pentimenti erklären. So heißen Übermalungen von Künstlerhand.
Ein neuer Kinder-Audioguide fürs Domquartier war fällig, und den hat man Kinder und Jugendliche für Ihresgleichen selbst machen lassen. Doris Oberholzer und Petra Schlagbauer vom Kulturvermittlungsverein ARTgenossen haben nicht das erste Mal für die Residenzgalerie bzw. das Domquartier gearbeitet. Sie wissen, wie man so etwas angeht, wo es einsatzbereite Lehrkräfte, gute Ressourcen und zu begeisternde Kinder gibt. Die NMS Campus Mirabell ist nicht nur Salzburgs Schule mit dem höchsten Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (98 Prozent). Es gibt dort auch ein schuleigenes Tonstudio, man arbeitet regelmäßig der Radiofabrik zu. So konnte man den Kinder-Audioguide fürs Domquartier quasi „im Haus“ produzieren.
Die jungen Leute der jetzigen 3b-Klasse mit ihrem Lehrerinnenteam Alexandra Weyringer, Barbara Perreiter und Karin Pammer haben sich dafür im Schuljahr 2018/19 ins Zeug gelegt. Im Vorfeld beschäftigten sich die Kinder in einem Workshop der ARTgenossen intensiv mit ausgewählten Bildern in der Residenzgalerie. In Form von Bilder-Puzzles, Wortschlangen und Internetrecherche zu Begriffen aus der Malerei wie Feinmalerei, Genremalerei, Inkarnat, Pentimenti, Porträt, Landschaftsmalerei erarbeiteten sie sich ein Glossar von „Fachwörtern“, um die Bilder besser zu verstehen. Gruppenweise bekamen sie einzelne Bilder zugelost. Sie beschrieben, was sie sahen und versuchten sich in die Stimmung und die Szenen der Bilder hineinzuversetzen. „Jede Gruppe setzte sich vor ihr Bild, entschied sich für eine Textvariante und dann ging es ans Texten“, erzählt Doris Oberholzer von den ARTgenossen. „Die Rollen der einzelnen Sprecher wurden verteilt und am Ende sprachen die einzelnen Gruppen ihre Texte den Klassenkameraden ein erstes Mal vor. Natürlich mussten auch die passenden Geräusche überlegt und aufgeschrieben werden.“ Die Kinder übten das Sprechen ihrer Texte in der Schule mit Lehrerinnen und den ARTgenossen.
Bei der Produktion stand ihnen die Medienkünstlerin Elisabeth Leberbauer zur Seite. Es ging ja darum, kleine Hörspielszenen zu entwerfen und „mit dem gewissen Etwas“ rüberzubringen, wie es Leberbauer formuliert. Zwei Buben haben sich vor einem Seestück mit Segelbooten von Salomon von Ruysdael überlegt, was da wohl wohin transportiert worden ist und ihre Ideen in eine Art Gedicht verwandelt.
Der Vorteil eines solchen Multi-Kulti-Schule: Es fanden sich für die italienische Version des Audioguides auch italienische Muttersprachler unter den Jugendlichen. Für die englische Variante kamen englischsprachige Kinder der International Class der PH-Praxisvolksschule Salzburg dran. Die Konder von der NMS Campus Mirabell widmeten sich speziell Gemälden in der residenzgalerie. Andere Hörstationen im Domquartier – siebzig Exponate kann man abgehen mit dem neuen Kinder-Audioguide – haben Schüler und Schülerinnen der Neuen Mittelschule des Diakonievereins Salzburg und des Privatgymnasiums der Herz Jesu Missionare gestaltet.